Neue Studie: Die gute und die schlechte Nachricht über Deutsch in Tschechien

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Das Institut ISEA für gesellschaftliche und ökonomische Analysen hat vor einiger Zeit die Ergebnisse einer soziologischen Untersuchung zur Deutschkompetenz der Tschechen veröffentlicht. „Fremdsprachenkompetenz der tschechischen Bevölkerung: Deutsch im Vergleich zu anderen Sprachen“, heißt sie. Dabei standen Englisch, Russisch, Französisch und Spanisch im Fokus. Die Untersuchung stand unter der Leitung von Professor Petr Matějů. Der Wille und die Fähigkeit der Tschechen, eine Fremdsprache zu erlernen, sind nicht besonders groß, so lautet ein Ergebnis der Studie. Christian Rühmkorf unterhielt sich für das Forum Gesellschaft nicht nur mit Petr Matějů, sondern auch mit dem Sprecher der Deutsch-tschechischen Handelkammer, Hannes Lachmann, und dem jungen Schauspieler Jiří Mádl über Deutschkompetenzen.

Petr Matějů
1061 Tschechen wurden vom Zentrum für Meinungsforschung CVVM zu ihrer Fähigkeit befragt, in der Fremdsprache Deutsch zu kommunizieren. Region, Größe des Wohnortes, Geschlecht, Alter und Bildungsgrad – das waren die Parameter, nach denen Untersuchungsleiter Petr Matějů in der repräsentativen Umfrage unterschied. Ein Ergebnis hat ihn vor allem überrascht:

„Unsere Untersuchung hat uns unangenehm damit überrascht, dass auch 20 Jahre nach der Öffnung des Landes die Tschechen nicht offen sind, sich den Fremdsprachen verschließen. Als wir festgestellt haben, dass mehr als 55 Prozent der Tschechen sich in keiner Fremdsprache gut ausdrücken, als wir festgestellt haben, dass 23 Prozent der akademisch gebildeten Tschechen zugeben, sich in keiner Fremdsprache gut ausdrücken zu können, da habe ich Beklemmungen verspürt.“

Illustrativesfoto: Radio Prague International
Unterhält man sich mit Tschechen und fragt, ob sie Deutsch sprechen, heißt es zumeist: Nein, ich kann das nicht mehr. Oft zeigt sich dann aber: Das Gegenteil ist der Fall. Handelt es sich beim Untersuchungsergebnis um einen tschechischen Bescheidenheitstopos?

„Nein, nein. Ich denke, wir haben erst einen kurzen Weg zurückgelegt, seit der Zeit, in der Fremdsprachen eine bestimmte – ich würde sagen – die wichtigste Komponente des Lebensstils geworden ist. Ein Mensch, der reist, sich aber nicht verständigen kann, der reist eigentlich auch nicht. Zum anderen habe ich das Gefühl, den Tschechen wird nicht klar, dass auf dem Arbeitsmarkt – das gilt auch schon auf dem heimischen Arbeitsmarkt, vor allem aber auf dem europäischen – eine Fremdsprache, Englisch, nicht ausreicht. Da ist die zweite, regionalbedingte Fremdsprache äußerst wichtig. Wenn wir uns mit Ländern wie den Niederlanden vergleichen, mit anderen nordischen Länden, vor allem Finnland, das sich zur selben Zeit geöffnet hat wie wir – und heute sprechen dort alle fließend Englisch und lernen weitere Fremdsprachen - dann brauchen wir wohl noch weitere zehn Jahre, bis uns das in den Kopf geht“, erklärt Petr Matějů.

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Die zweite große Überraschung der Studie sei allerdings positiv:

„Deutsch ist eindeutig die zweite Sprache, die die Tschechen lernen wollen, es stört sie, dass sie es nicht können. Es ist die zweite Sprache, welche die Eltern ihren Kindern in der Schule empfehlen. Die erste ist natürlich Englisch. Aber 54 Prozent der befragten Eltern haben sich für Deutsch ausgesprochen. Die ganzen Kultur- und Wirtschaftsbedingungen in unserem Land, machen Deutsch potenziell zur zweiten bedeutenden Fremdsprache. Da müssen wir anpacken und loslegen.“

Foto: Archiv Radio Prag
Tschechen wollen, aber können nicht?

„Tschechen wollen, aber können nicht. Und als wir gefragt haben, warum sie nicht können, dann war der wichtigste Grund, den sie angeführt haben, dass Deutsch an der jeweiligen Schule nicht unterrichtet wurde oder wird. Und wenn doch, dann gab es die Angst, dass es in der nächsten Schulstufe nicht mehr angeboten wird, oder nicht in guter Qualität angeboten wird.“

Eine Ausrede?

„Die Frage ist tatsächlich, wie gut der Unterricht ist. Aber auf der anderen Seite – das wissen Sie – sind wir Tschechen nie um eine Ausrede verlegen. Wir hatten die Sorge, dass die komplizierte deutsch-tschechische Geschichte als Belastungsfaktor eine Rolle spielt. Aber das ist nicht der Fall. Fast 70 Prozent der Bevölkerung sagen, das sei kein Grund. Und das ist ein guter Befund.“


Hannes Lachmann
Deutschland ist der größte und wichtigste Wirtschaftspartner für Tschechien. Es gibt um die 4000 Unternehmen mit deutscher Beteiligung in diesem Land. Die Nachfrage dieser Unternehmen nach Arbeitskräften mit Deutschkompetenzen sei sehr hoch, erklärt Hannes Lachmann von der Deutsch-tschechischen Industrie- und Handelkammer:

„Vor allem fortgeschrittene oder sehr gute Kenntnisse sind hier gefragt. Prinzipiell sieht es im Moment noch so aus - das haben wir in unseren Umfragen erhoben - dass die Verfügbarkeit von deutschsprachigen Arbeitskräften auf dem tschechischen Arbeitsmarkt noch einigermaßen zufrieden stellend ist. 42 Prozent der Befragten meinten, die sei zufriedenstellend. Allerdings auch – und da zeigt sich, wie zweigeteilt das bereits ist – 42 Prozent halten die Situation für mangelhaft oder für ungenügend, wenn man das mal in Schulnoten sieht. Und nur 16 Prozent halten sie für gut. Also man kann sagen, im Moment überwiegt noch die Zufriedenheit, aber auch nicht mehr sehr stark. Und die Entwicklung – das hat natürlich auch etwas mit der aktuellen Bildungspolitik zu tun – geht in die Richtung, dass Deutsch eher weniger verfügbar sein wird, auch in den kommenden Generationen. Und das bedauern unsere Mitgliederunternehmen sehr. Also diese Rückmeldung haben wir nicht nur in der Untersuchung, sondern auch in persönlichen Gesprächen sehr oft, dass zu wenig getan wird, dass Deutsch als Fremdsprache eben für diese Wirtschaftspraxis gefördert wird.“

Junge Tschechen behaupten oft: Mit Englisch komme ich doch überall durch, auch in Deutschland – was sicherlich stimmt. Trifft das auch auf den deutsch-tschechischen Arbeitsmarkt zu?

„Ja, also dass man sich mit Englisch durchwurschteln kann, das stimmt. Aber ich denke, gerade auf dem Arbeitsmarkt insbesondere in höheren Positionen, in Führungspositionen, aber auch im mittleren Management reicht es eben nicht mehr, durchzukommen, sondern da muss man mit der Muttergesellschaft kommunizieren, mit den Kunden kommunizieren. Also da reicht es nicht, Englisch zu können, da muss eben auch Deutsch dabei sein.“

Erklärt Hannes Lachmann, der Sprecher der Deutsch-tschechischen Handelkammer.


Jiří Mádl
Bei der Präsentation der Studie „Fremdsprachenkompetenz der tschechischen Bevölkerung: Deutsch im Vergleich zu anderen Sprachen“ war allerdings noch ein besonderer Gast mit von der Partie. Das Gesicht des 24-Jährigen flimmert seit sechs Jahren regelmäßig über tschechische Kinoleinwände: Mit Jiří Mádl sprach ich über seine Erfahrungen mit Deutsch – natürlich auf Deutsch:

Jiří Mádl, Sie sind einer der bekanntesten jungen Schauspieler hier in der Tschechischen Republik und sind aber auch gleichzeitig Schüler, Schüler am Goethe-Institut in Prag, und Sie lernen Deutsch – warum?

„Warum? Weil ich glaube, dass ich das schon ganz vergessen habe. Ich habe das am Gymnasium gelernt – acht Jahre – und dann habe ich das fünf Jahre nicht mehr benutzt. Also deswegen glaube ich, dass ich das ein bisschen auffrischen sollte.“

Sie kommen aus Budweis (České Budějovice). Wie sind Sie zuerst mit Deutsch in Berührung gekommen – war das in der Schule?

„Wir konnten auswählen, ob wir ´Groß-Englisch´ und ´Klein-Deutsch´ oder ´Groß-Deutsch´ und ´Klein-Englisch´ wollten. Und dann habe ich entschieden, dass ich ´Groß-Englisch´ machen will, aber mein Großvater wollte, dass ich auch sehr gut Deutsch spreche. Und dann hatte ich die Möglichkeit ans Gymnasium in Kremsmünster (Österreich) zu gehen – nicht lange, nur für drei Monate. Aber ich habe das versucht, und es hat mir dort sehr gefallen.“

Gymnasium in Kremsmünster  (Foto: Stift Kremsmünster)
Also der Großvater war auch ein wichtiger Grund?

„Ja, weil er sieben Sprachen spricht. Also musste ich. Denn es war ein bisschen Druck von ihm.“ (lacht)

Wie sieht das aus mit Deutsch – Deutsch hat eigentlich keinen so richtig guten Ruf hier in Tschechien. Die meisten sagen: „Äh, das klingt so hart, das wollen wir nicht lernen“. Die Leute kennen meistens nur diese Nazi-Filme, wo es immer heißt „schnell, schnell!“ Also wie sieht das aus mit Deutsch – ist das für Sie eine Sprache, die wirklich so hart klingt und deswegen so unangenehm ist?

Die Leute kennen meistens nur diese Nazi-Filme,  wo es immer heißt „schnell,  schnell!“
„Ich bin nicht sicher, weil für mich Deutsch ganz gut klingt. Aber es ist wahr, dass zum Beispiel mein kleiner Bruder nicht Deutsch lernen wollte, weil es ihm nicht gefällt. Das kann ich verstehen, aber das gilt nicht für mich. Ich glaube, dass das eine Ausrede für die jungen Leute ist. Ich glaube, der Hauptgrund ist, dass es schwierig ist.“

Also Deutsch ist eine schwierige Sprache?

„Ja, das glaube ich.“

Wie sieht es aus mit Ihrem Beruf? Sie sind Schauspieler, viel in Kinofilmen auf der Leinwand, aber auch im Theater. Brauchen Sie da Deutsch?

„Ich habe niemals Deutsch in meinem Beruf benutzt. Aber jetzt habe ich ein Angebot, in einem deutschen Film zu spielen. Sie müssen jetzt die Schauspieler auswählen, aber es ist eine große Möglichkeit für mich, weil es hier in Tschechien nicht viele Schauspieler gibt, die Deutsch sprechen.“

Welcher Film ist das, dürfen Sie das schon sagen?

„Ich kann das nicht sagen. Und ich weiß auch den Titel nicht. (lacht) Aber es soll ein junger Regisseur als Deutschland sein.“

Dann viel Erfolg beim Casting. Ich glaube, das wird klappen – Sie sprechen sehr gut Deutsch! Hat mich gefreut, danke!

„Ok, danke.“


Dieser Beitrag wurde am 16. Dezember 2010 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.