„Malostranská beseda“ – die alte Dame unter den Prager Kulturhäusern feiert ihren 140. Geburtstag

'Malostranská beseda'

Die berühmt berüchtigten 8-er Jahre in der tschechischen Geschichte- sie markieren nicht nur die großen historischen Wendepunkte des Landes. Auch im Kleinen gibt es einiges zu gedenken und zu feiern. Die „Malostranská beseda“, die alte Dame unter den Prager Kulturhäusern, feiert ihren 140. Geburtstag.

Eine Bühne, einen Steinwurf entfernt von der Karlsbrücke. Unten auf der Kampa-Insel, direkt neben der Brücke, stehen ein paar hundert Menschen und hören zu. Sie wirken – abseits vom Touristenstrom – wie eine eingeschworene Gemeinschaft. Es sind Prager, das sieht man. Und vielleicht zwei, drei ahnungslose Touristen. Nur den Eingeweihten ist klar: Das Prager Kult-Kulturhaus, die Malostranská beseda, feiert ihren 140. Geburtstag. Notgedrungen unter freiem Himmel, denn das Haus selbst, in prominenter Lage am Kleinseitner Platz, ist seit Jahren mit Baugerüsten verstellt. Es wird saniert.

1868 - eben vor 140 Jahren - hatte der frisch gegründete Verein „Malostranská beseda“ das ehrwürdige Gebäude gemietet. Damit zogen Musik, Theater, Kunst und Literatur in das Haus ein. Der gleichnamige Verein war von der Bürgerschaft der Prager Kleinseite gegründet worden - Ausdruck eines neuen nationalen und bürgerlichen Selbstbewusstseins. Erst die Kommunisten schafften es endgültig, diesem Verein 1952 ein Ende zu machen. Die Idee aber lebte weiter und nach der Samtenen Revolution 1989 blühte die Malostranská beseda wieder als Klub auf. Es war wie heute, beim 140. Geburtstag. Eine Insel tschechischer Kultur, umbrandet vom Touristenstrom auf der Kleinseite. Die Musik- und Theaterkneipe und der uralte Veranstaltungssaal hatten eine dicke Schicht Patina angesetzt. Doch wer die tschechische Kulturszene kennen lernen wollte, der musste genau hierhin gehen. Nächstes Jahr soll sie wieder eröffnet werden, die Malostranská beseda, sagt der Bürgermeister von Prag 1, Petr Hejma. „Alles läuft gut. Wir haben schon den Betreiber ausgewählt.“ Die Auflagen waren streng, meint Hejma:

'Malostranská beseda'  (Foto: ČTK)
„Die wichtigste Bedingung war, dass der Investor hier ein Kulturhaus betreibt. Wir möchten Kultur, Theater, Ausstellungen, verschiedene Kurse und Vorträge anbieten. Die neuen Betreiber sollten das mit Herz machen. Sie kennen die alte „Malostranská beseda“ und sie wollen dieselbe Atmosphäre haben.“

Nicht alle hier auf der Kampa-Insel wollen das glauben. Ein Mann schimpft mir etwas von Politikerpack und leeren Versprechungen ins Mikrofon. Die Stadt wolle einen finanzstarken Investor in die „Malostranská beseda“ holen, um Geld zu machen. Viele haben Angst, dass ihre „Malostranská beseda“ nicht mehr die alte sein wird. Heute allerdings, zum Geburtstag, wollen die meisten feiern und erinnern. Gekommen ist auch Zdeněk Svěrák mit seinem Prager Kulttheater „Jara Cimrman“. Der Film Kolja hatte Svěrák auch international bekannt gemacht. Er erinnert sich an den Saal in der alten „Malostranská beseda“, dort, wo auch für ihn und sein Jára-Cimrman-Theater alles begann:

„Na das ist der erste Saal, in dem wir als unerfahrene Anfänger versucht haben, die Cimrman-Stücke aufzuführen. Wir haben damals nicht geahnt, dass uns das so viele Jahre ernähren wird.“

Die Cimrmänner selbst feiern in diesem Jahr ihren 41. Geburtstag. Die „Malostranská beseda“ war eine Schicksals-Bühne für Zdeněk Svěrák und Co.

„Dabei war sie überhaupt nicht groß. Da passten gerade mal 120 Leute rein. Es war auch nicht wie in einem richtigen Theater. Da waren überall Tischchen, an denen die Leute saßen wie in einem Cafe. Auf diese Tischchen haben wir Petroleumlampen gestellt, damit es die Atmosphäre des 19., 20. Jahrhunderts hatte. Das ist also ein unvergessliches Haus und ein unvergesslicher Saal für uns.“

Eine unvergessliche „Malostranská beseda“ mit einer unvergesslichen Gemeinschaft von Kulturschaffenden, meint und singt ebenso Liedermacher Ivan Hlas, der hier in den 70ern seine Karriere hier begonnen hat. Und auch das „Originalní pražský synkopický orchestr“ war in der „Malostranská beseda“ Jahrzehnte lang zu Hause. Und während das Orchester seine Tanzhits aus den 20ern und 30ern spielt, läuft an mir ein Mann mit einem Kontrabass vorbei. Ich kenne sein Gesicht, seit ich 1995 zum ersten Mal in der „Malostranská beseda“ war. Ich sehe den ehemaligen Kneipier der „Malostranská beseda“ allerdings zum ersten Mal ohne Zigarre im Mund. Jarik Kára oben ohne:

„Na, und gerade wollte ich mir eine anzünden. Sie haben mich dabei unterbrochen. Aber ich hole das so schnell wie möglich nach“, sagt Jarik Kára und fängt trotzdem an zu erzählen.

„In der Malostranská beseda hatte ich seit 1991 die Theater- und Musik-Bar gemietet. Aber ich habe mich auch selber mit Musik und Theater beschäftigt. Daher hatte ich zur Malostranska beseda noch eine viel tiefere Beziehung. Schon 1971 habe ich dort zum ersten Mal mit meiner Country-Band gespielt und von 1977 an bin ich dort auch mit dem Theater Lucerna aufgetreten, das hier auf der Jubiläumsfeier heute auch noch zu sehen sein wird. Die Malostranská beseda war so etwas wie ein Haustheater für die Lucerna. Ich stand also in der „Malostranská beseda“ auf beiden Seiten: hinter der Theke und vor der Theke. Ich lebe fast 30 Jahre mit der „Malostranská beseda“ in bestimmter Hinsicht zusammen.“

Kára hat die Schließung und Sanierung der „Malostranská beseda“ persönlich getroffen. Er ist nicht mehr der Jüngste und war zwei Jahre lang ohne Arbeit. Der Abschied von der „Malostranská beseda“ war schwer für ihn. Und auch er traut dem Investor-Braten nicht hundertprozentig, den das Rathaus von Prag 1 in die Röhre geschoben hat.

„Trotz aller Versprechungen, dass die „Malostranská beseda“ denselben Zwecken dienen wird wie früher – ich habe ehrlich gesagt die Befürchtung, dass es viel weniger für die so genannten normalen Leute sein wird. Die Zeiten ändern sich und das wird auch die Eintritts- und die Getränkepreise und andere Dinge betreffen. Es wird einfach nicht mehr das sein, was es mal war, nämlich eine Lidovka – eine Volkskneipe. Aber gerade deshalb war die Beseda so beliebt. Die ganz normalen Leute hatten im Zentrum von Prag einen Ort für sich, Studenten und alle, die es finanziell nicht so dicke hatten, die konnten dort abends Fuß fassen.“

Die neue „Malostranská beseda“ wird nicht mehr die alte sein. Auch, weil Jarik Kára wohl nicht mehr Zigarre paffend hinter der Theke stehen wird. Wenn aber ihren alten Nutzern die neue „Malostranská beseda“ nicht mehr gefallen sollte, dann gibt es noch einen Ausweg: Wir gehen nach Afrika – singt die „YoYo band“ zur Geburtagsfeier.