Brauchtum um die Osterkerze wird in Tschechien wieder mehr gepflegt

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Eine sehr alte Tradition an Ostern ist die sogenannte Osterkerze. In ihr vereinigen sich die Lichttraditionen von griechischer, jüdischer und christlicher Herkunft gleichermaßen. Dabei galt das Licht schon seither als Zeichen für das Leben. Und der Brauch, eine besondere Kerze am Osterfest zu entzünden, ist auch in Tschechien und der Slowakei weit verbreitet. Dazu trägt nicht zuletzt die Behindertenwerkstatt im nordmährischen Palonín bei Šumperk / Mährisch Schönberg bei, in der seit einigen Jahren Osterkerzen in individueller Handarbeit gefertigt werden.

Osterkerze  (Foto: ČT24)
Die ältesten schriftlichen Zeugnisse über die Osterkerze stammen aus dem vierten Jahrhundert. Dieser Brauch knüpft an eine heidnische Tradition an. Doch später entwickelte sich eine eigene Deutung der Osterkerze. In dem reinen „Leib“ der Kerze aus teurem, gebleichtem Bienenwachs sah man ein Sinnbild für die menschliche Natur Christi oder für seinen verklärten Leib nach der Auferstehung, während man die Flamme als Zeichen seiner göttlichen Natur auffasste. Die Flamme sollte nicht mehr von brennenden, übelriechenden Tierleibern genährt werden, sondern von reinen wohlriechenden Elementen wie Bienenwachs, Öl und Papyrus, wobei letzterer Stoff für den Docht gebraucht wurde. Dass Osterkerzen auch heute noch in dieser Art hergestellt werden, bestätigt die Leiterin der Kerzenproduktion bei der Behindertenwerkstatt in Palonín, Alena Vitásková:

Alena Vitásková  (Foto: ČT24)
„Erste Voraussetzung, um diese Kerzen fertigen zu können, ist künstlerische Begabung. Man muss geschickt sein. Und zur Kerze selbst brauchen wir noch die Wachsplatten in verschiedenen Farben. Aus diesen Platten schneiden wir dann die Ornamente für die Kerze aus.“

Die Ornamente sind nicht rein beliebig, sondern jede Kerze hat zudem dieselben Standardmerkmale, erklärt Alena Vitásková:

„Die Konstanten auf der Kerze sind das Kreuz, die griechischen Buchstaben Alpha und Omega und die Jahreszahl des jeweiligen Osterfestes. Das sind die Symbole, die auf der Kerze sein müssen.“

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Neben diesen Symbolen werden aber auch auf vielen Kerzen – je nach Wunsch oder Bestellung – noch zusätzliche Motive angebracht. Diese Motive können dabei jedes Jahr durchaus unterschiedlich sein:

„In diesem Jahr sind die Kerzen reich verziert, das Hauptmotiv ist die Weinrebe. Diese Reben bilden dabei die Form eines Doppelkreuzes. Weitere Symbole sind das Osterlamm und im unteren Teil der Kerze die Dornenkrone. Von dieser Krone aus entwachsen die Weinreben, die sich über die gesamte Kerze spannen.“

Kerzenproduktion bei der Behindertenwerkstatt in Palonín  (Foto: ČT24)
Sie wisse nicht genau, weshalb in diesem Jahr gerade die Verzierung der Kerze mit einem Geflecht aus Weinreben so gefragt sei, doch vielleicht kämen die Besteller der Kerzen ja vor allem aus Weinanbaugebieten, in denen man sich eine gute Lese erhoffe. Hauptabnehmer der Kerzen seien jedoch heimische Kunden oder Interessenten aus dem benachbarten Ausland, versichert Vitásková:

„Die meisten Abnehmer kommen aus Tschechien, doch auch in der Slowakei sind unsere Kerzen sehr begehrt. Einzelne Bestellungen kamen auch aus London und aus Österreich, doch das sind wirklich nur sehr kleine Mengen.“

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Gefragt sind vor allem Osterkerzen in der sogenannten Familienpackung:

„Die Osterkerzen in der Familienpackung sind 20 Zentimeter groß und haben einen Durchmesser von drei Zentimeter. Mit diesen Kerzen kommen die Familienangehörigen in die Kirche und entzünden sie an der großen Osterkerze, die in der Kirche aufgestellt ist.“

Osterkerze in einer Pilsner Kirche  (Foto: Vít Kršul,  CC BY-SA 3.0)
Doch wie gelangt die große Osterkerze in die Kirche? Und wann?

Der Brauch des Anzündens von Osterkerzen wird in Tschechien, der Slowakei und anderswo in Mitteleuropa am Karsamstag begangen. Meist wird dazu vor der Kirche ein Osterfeuer entfacht. Der Diakon oder Priester spricht die Gebete zur Weihe des Osterfeuers und der Bereitung der Osterkerze und entzündet sie mit Hilfe eines Dochtes am Licht des Osterfeuers. Er zieht dann mit der Osterkerze unter dem dreifach wiederholten Ruf „Lumen Christi“ („Christus, das Licht“) vor der Gemeinde in die noch dunkle Kirche ein. Die Gemeinde antwortet jeweils mit „Deo gratias“ („Dank sei Gott“). Danach wird die Osterkerze auf den Leuchter im Altarraum neben dem Ambo gestellt, und der Diakon oder der Priester singt das Osterlob.

Von der Osterkerze ausgehend wird das Licht an die Mitfeiernden weitergegeben, die eigene Kerzen mitbringen, die sie beim Osterlob und bei der Erneuerung des Taufversprechens in den Händen halten. Die Symbolik: Das Licht und die Wärme Christi sollen auch die Herzen der Gläubigen entfachen. Vor allem aber erinnert die eigene Kerze die Gläubigen an ihre Taufe und den Auftrag, als „Kinder des Lichts“ zu leben.

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An Christi Himmelfahrt wird die Osterkerze mancherorts nach dem Evangelium ausgelöscht, um symbolisch das Scheiden Christi von der Erde und das Auffahren in den Himmel deutlich zu machen. Der Leuchter mit der Osterkerze bleibt überall während der Osterzeit im Altarraum; nach Pfingsten wird er in der Taufkapelle aufgestellt.

Der Brauch rund um die Osterkerze scheint in Tschechien und auch in der Slowakei eine Wiederbelebung erfahren zu haben. Dafür spreche jedenfalls, dass die Kerzenproduktion in der Behindertenwerkstatt in Palonín ständig gestiegen ist. Die Fertigung wurde kurz nach der Jahrtausendwende aufgenommen. Alena Vitásková:

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„Wir haben mit ganz wenigen Osterkerzen begonnen, im ersten Jahr waren es wirklich nur ein paar Stück. Doch seitdem hat sich unsere Kerzenherstellung Jahr für Jahr gesteigert, und in diesem Jahr kommen wir schon auf fast 800 Osterkerzen.“

Wie aber ist dieser Trend zu deuten? Alena Vitásková mit einem Erklärungsversuch:

„Ich denke, möglicherweise wollen die Menschen in unserer heute sehr hektischen Welt, dem Hinterherhetzen nach allen möglichen Dingen, etwas mehr Halt und Ruhe. Ich weiß es nicht, kann aber wiederum bestätigen, dass selbst die Nachfrage nach normalen Kerzen gestiegen ist. Denn außerhalb der Osterzeit stellen wir auch ganz gewöhnliche Kerzen nach entsprechendem Kundenwunsch her. Es ist also denkbar, dass viele Menschen schon ein Stück mehr nach innerer Ruhe suchen, zum Beispiel durch eine häusliche Flamme.“

Lourdes  (Foto: giannip46,  CC BY-SA 3.0)
Unter den Kerzen, die die Behindertenwerkstatt das ganze Jahr über herstellt, gehören auch Aufträge der ganz besonderen Art. Eine solche Bestellung war in diesem Jahr eine Riesenkerze für die Tschechische Armee:

„Die Armee bringt diese Kerze in den französischen Wallfahrtsort Lourdes, wo sie auch verbleibt. Diese Kerze ist 1,70 Meter hoch, also größer als meine Kolleginnen und ich. Ihr Durchmesser ist 14 Zentimeter und sie wiegt 25 Kilogramm. An dieser Kerze müssen gleich zwei Frauen von uns arbeiten, denn die Verzierungen lassen sich nicht so ohne weiteres auftragen.“

Lourdes  (Foto: AdaLuCaMmI,  CC BY-SA 4.0)
An diese Aufgabe werden sich die vier Frauen, die zur Gruppe der Kerzenmacherinnen in der Behindertenwerkstatt von Palonín gehören, aber erst nach Ostern machen. Denn die Riesenkerze ist für die traditionelle Wallfahrt in Lourdes bestimmt und wird von tschechischen Soldaten um Mitte Mai in die Stadt im nördlichen Vorland der Pyrenäen gebracht. Doch nicht nur über diesen Auftrag sei ihr kleines Team erfreut, sagt Alena Vitásková:

„Mich macht durchaus froh und stolz, wenn ich auf Fotos von irgendwoher eine Osterkerze oder auch andere Kerze aus unserer Werkstatt sehe. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen und mich bei allen Kunden bedanken, die bei uns die Kerzen bestellen. Denn sie geben uns damit Arbeit.“

Palonín  (Foto: Martin Vavřík,  Public Domain)
Und zu guter Letzt äußerte die 40-jährige Leiterin des Kerzenmacherinnen-Teams in Palonín noch einen besonderen Dank an die slowakischen Auftraggeber, den sie mit einem österlichen Wunsch verknüpfte:

„Wir sind sehr erfreut, dass auch unsere Brüder und Schwestern aus der Slowakei Kerzen bei uns bestellen. Eventuell trägt dies dazu bei, dass wir uns wieder etwas näher kommen.“

Die Gemeinde Palonín liegt übrigens unweit von Loštice an der Landstraße zwischen Olomouc / Olmütz und Zábřeh / Hohenstadt an der March. Sie hat rund 350 Einwohner.

Autor: Lothar Martin
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