Wehrdienst für „politisch Unzuverlässige“: Technische Hilfstruppen in der ČSSR

Technische Hilfstruppe (Foto: www.ct24.cz)

Eines der vielen runden Jubiläen in diesem Jahr betrifft die militärischen Hilfstruppen, die vor 60 Jahren im Rahmen der kommunistischen tschechoslowakischen Volksarmee offiziell ins Leben gerufen wurden. In diesen Einheiten versahen „politisch unzuverlässige“ Menschen ihren Wehrdienst und wurden als billige Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, im Bergbau oder anderswo eingesetzt. Rehabilitiert wurden die Angehörigen dieser Spezialeinheiten erst nach der Wende des Jahres 1989.

Technische Hilfstruppe
Der Dienst an der Waffe wird von totalitären und autoritären Regimen, die selbst oft strikt hierarchisch aufgebaut sind, seit jeher als etwas außerordentlich Ehrenhaftes, ja fast als ein Privileg betrachtet. Der Waffen-Kult ist allgegenwärtig und macht selbst vor kleinen Kindern in Kindergärten keinen Halt. In der früheren kommunistischen Tschechoslowakei war das nicht anders. Wer während seiner Zeit beim Militär keinen Dienst an der Waffe versehen konnte – zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen -, musste häufig mit Schwierigkeiten rechnen. Und dies konnte ihm zum Beispiel auch den Weg in bestimmte Positionen im weiteren Berufsleben verbauen.

Kommunistische Machtergreifung vom Februar 1948
Nach der kommunistischen Machtergreifung vom Februar 1948 kam es in ganzen Land zu groß angelegten Säuberungsaktionen, bei der so genannte politisch unzuverlässige Personen aus dem öffentlichen Leben gedrängt wurden. Davon betroffen waren Mitglieder der verbotenen demokratischen Parteien samt ihren Nachkommen, die Adeligen, Geistliche oder Großgrundbesitzer, die sich der Zwangskollektivierung widersetzen. Viele von ihnen wurden in Schauprozessen zu hohen Haftstrafen verurteilt.

So entstand in den ersten Jahren nach der Machtübernahme durch die Kommunisten eine relativ große Gruppe von Menschen, die ihre bisherige Existenz aufgeben mussten und jegliche Zukunftsperspektive verloren. Das kommunistische System versuchte diese so genannten politisch Unzuverlässigen für ihre Zwecke zu nutzen und sie vor allem als billige Arbeitskräfte einzusetzen.

Im militärischen Bereich entstanden im Herbst 1950 die ersten technischen Hilfstruppen. Die dorthin abkommandierten „politisch unzuverlässigen“ Männer mussten nach ihrer Musterung den „Dienst mit der Schaufel“ versehen, wie dies im Volksmund genannt wurde.

Mit dem Thema Zwangsarbeit im Rahmen der kommunistischen Tschechoslowakischen Volksarmee befasst sich seit vielen Jahren der Historiker Jiří Bílek vom Militärhistorischen Museum in Prag. Im Gespräch mit dem Tschechischen Rundfunk blickt er auf die Entstehungsgeschichte der technischen Hilfstruppen zurück:

Alexej Čepička
„Konkret ging die Gründung dieser Spezialtruppen auf eine Entscheidung von Verteidigungsminister Alexej Čepička zurück, der einen entsprechenden Befehl erteilte. Die Vorläufer der Hilfstruppen entstanden schon 1948 kurz nach dem Februar-Putsch der Kommunisten und wurden als Straßenbataillone bezeichnet, in die so genannte politisch unzuverlässige Männer nach ihrer Musterung abkommandiert wurden. Weil sich schon bald zeigte, dass sich diese Truppen gut für schwerste Arbeit einsetzen ließen und die Armee damals praktisch in den gesamten Bergbau in der Tschechoslowakei involviert war, kam man auf die Idee, anstelle von klassischen Soldaten eben diese Strafbataillone einzusetzen. Ein weiterer Grund war sicherlich auch, dass auf diese Weise eine Isolierung dieser so genannten Unzuverlässigen vom Rest der Gesellschaft vorgenommen werden konnte. Nicht zu vergessen ist aber auch das Motiv, zu versuchen auf diese Personen im Sinne der kommunistischen Ideologie einzuwirken und sie umzuerziehen.“

Die Angehörigen dieser Truppen wurden wegen den schwarzen Schulterklappen ihrer Uniformen als Schwarze Barone bezeichnet. Nach der Wende wurde ihr Leben und Schicksal vor allem durch die gleichnamigen Erzählungen des Humoristen Miloslav Švandrlík einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Seine Erzählungen wurden später auch verfilmt. Miloslav Švandrlík war selber Mitglied bei den Schwarzen Baronen. Doch was in seinen Erzählungen eine lose Folge von mehr oder weniger lustigen Geschichten ist, welche die Absurdität des ganzen Systems samt der Befehle der Berufsoffiziere entlarvte, war in Wahrheit in vielen Fällen mit bitterem Ernst verbunden.



Schon bei der Musterung der jungen Männer wurde zum Beispiel neben ihrem Gesundheitszustand auch die politische Einstellung untersucht. Meistens geschah das anhand eines Fragebogens, der in den Heimatort des Gemusterten geschickt wurde. Das eröffnete die Möglichkeit, viele persönliche Rechnungen zu begleichen. Dazu sagt der Historiker Jiří Bílek:

„Die Kriterien waren derart flexibel, dass praktisch jeder bei einer solchen Truppe landen konnte. Beginnend mit Menschen, die potentiell zu Feinden des Regimes werden konnten, wie etwa die Nachkommen von Politikern der nichtkommunistischen Parteien, die Söhne von wegen Kollaboration mit den Nazis während des Kriegs Bestrafter und so weiter. Im Gesetz gab es aber zudem einen Paragraphen, der besagte, dass die Staatspolizei auch alle anderen Bürger abkommandieren konnte, welche von ihr aus anderen Gründen bestimmt werden.“

Bezeichnend für die damaligen Zustände war, dass die Bildung der Technischen Hilfstruppen weder von den damaligen tschechoslowakischen, geschweige denn von den internationalen Rechtsnormen gedeckt war. Die Angehörigen der Truppen waren also mehr oder weniger Freiwild, das oft der Willkür ihrer Kommandanten ausgeliefert war. So sind auch Fälle bekannt, wo ein ursprünglich für zwei Jahre eingezogener Wehrdienstleistender länger gehalten und erst nach einem weiteren Jahr aus dem Militär entlassen wurde.

Jiří Bílek  (Foto: Kateřina Benešová,  www.rozhlas.cz)
Einer der Gründe dafür war wohl, dass die Angehörigen der Hilfstruppen verstärkt in Bereichen eingesetzt wurden, für die keine anderen Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Das Land befand sich damals im Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und wurde zudem von den Ideologen auf einen möglichen neuen Weltkrieg vorbereitet, wie der Historiker Jiří Bílek im Folgenden erläutert:

„Die Angehörigen dieser Truppen waren in zwei Bereichen beschäftigt. Die ersten Einsatzfelder waren der Aufbau und die Hilfe in der Landwirtschaft. In diesen Fällen handelte es sich um so genannte ´leichte Hilfstrupps´. Der zweite wichtige Bereich war dann allerdings bereits mit Schwerstarbeit versehen – meistens in den Kohle- oder Uranbergwerken. Territorial waren diese Trupps auf das ganze Land verteilt und auch landesweit einsatzbereit. Die einzige Ausnahme bildete aus Gründen der potentiellen Fluchtgefahr der Einsatz im Grenzgebiet.“

Obwohl seit 1989 eine Reihe von historischen Arbeiten zu diesem Thema veröffentlicht wurde, die auch die Zwangsarbeit im Rahmen des Wehrdienstes aus allem möglichen Blickwinkeln beleuchtet, bleibt eine relativ grundsätzliche Frage nach wie vor offen: Die Texte geben nämlich keinen genauen Aufschluss darüber, wie viele Männer tatsächlich ihren Wehrdienst an der Schaufel versehen mussten. Die Rede ist von einer relativ großen Bandbreite zwischen 40.000 und 60.000 Männern. Wie ist das zu erklären? Dazu noch einmal der Historiker Jiří Bílek vom Militärhistorischen Museum in Prag:

Technische Hilfstruppe  (Foto: www.ct24.cz)
„Ich würde mich eher an der Zahl 60.000 halten, wovon 25.000 bis 30.000 tatsächlich politisch unzuverlässig war. Den Rest bildeten Bergleute, die auf diese Weise ihren Wehrdienst leisteten, oder aber auch Angehörige von Minderheiten, wie Roma oder Deutsche, die in den 50er Jahren die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit zurückerhielten. Zudem waren es aus der Sicht der Machthaber problematische Menschen. Die genauen Zahlen sind deshalb unbekannt, weil Dokumente mit konkreten Zahlen sich nicht erhalten haben.“