Vereine für Ortsverschönerung – wie in Böhmen die Zivilgesellschaft begann

Foto: Archiv NPÚ

Die Bezeichnung „Verein zur Ortsverschönerung“, auf Tschechisch „Okrašlovací spolek“, klingt in der heutigen Zeit ziemlich veraltet. Als Böhmen und Mähren noch der Habsburger Monarchie angehörten, gab es jedoch viele solcher Zusammenschlüsse. Und das auch noch später in der selbständigen Tschechoslowakei, bis der Zweite Weltkrieg und das kommunistische Regime jeglichen Bürgerinitiativen für mehrere Jahrzehnte ein Ende setzten. Wie diese Vereine sich entwickelt haben, dazu nun mehr am Beispiel der mährischen Kurstadt Luhačovice.

Blanka Petráková  (Foto: YouTube)
Die Anfänge liegen im Jahr 1867. Damals wird in der Habsburger Monarchie das Versammlungs- und Vereinsrecht liberalisiert. Das verändert die Gesellschaft von Grund auf. Erstmals können Parteien und auch Interessenvereinigungen gegründet werden. Dadurch werden breite Bevölkerungsschichten auch auf lokaler Ebene mobilisiert. Sie wollen mit verschiedenen Aktivitäten zur Entwicklung ihrer Heimatorte beitragen. Diese sogenannten „Verschönerungsvereine“ sind bis Anfang des 20. Jahrhunderts mehrheitlich deutsch geprägt. Zwischen ihnen und den tschechischen Vereinen gibt es zudem deutliche Rivalitäten. Nicht allerdings im südmährischen Kurort Luhačovice. Blanka Petráková leitet dort das Stadtmuseum:

„Die Gründung des Vereins initiierte Hynek Seichert. Sechs Jahre zuvor hatte er begonnen, eine Apotheke in Luhačovice zu betreiben. Allerdings jeweils nur während der Kursaison. Nach der Eröffnung seiner eigenen Apotheke im Jahr 1884 formierte sich in seinem Umfeld eine Gruppe Gleichgesinnter, die den Kurgästen etwas mehr als die üblichen Heilprozeduren anbieten wollten. Im 19. Jahrhundert wurde Luhačovice überwiegend von deutschsprachiger Klientel besucht, sie kam vor allem aus Wien. Der erste Schritt des Vereins war 1884 eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Aus ihrem Ertrag wurde ein Klavier gekauft und im zentralen Kurhaus aufgestellt.“

Kurgäste und Kurärzte engagieren sich

Luhačovice
Das Gebäude war um die Mitte des 19. Jahrhunderts ursprünglich als ein Familienhaus von Graf Otto Serenyi entstanden. 1902 ließ es der Architekt Pavel Jurkovič im Rahmen seiner Umbaupläne des Kurareals abreißen.

„Die Mehrheit der Vereinsmitglieder waren gebildete Menschen. Es waren sowohl Kurgäste, die regelmäßig hierherkamen, als auch Kurärzte. Die Letzteren waren im Jahr der Vereinsgründung alle nur deutschsprachig, weil auch ihre Klienten meist deutschsprachig waren. 1885 kam in die Kuranstalt der erste tschechische Arzt, der von tschechischen und slowakischen Kurgästen aufgesucht wurde.“

Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte dann auch das tschechische Vereinswesen einen Aufschwung. 1904 entstand der „Verband tschechischer Verschönerungsvereine im böhmischen Königreich“, er vereinte rund 200 dieser Zusammenschlüsse. Mit der Umbenennung fünf Jahre später in „Verband tschechischer Vereine für Verschönerung und Schutz der Heimat“ wollte man sich von den deutschen Pendants abgrenzen. Herausgegeben wurde auch die Verbandszeitschrift „Krása domova“ (Schönheit der Heimat). Mit ihr begann man, die Tätigkeit der Vereine besser zu koordinieren.

Gräfin Serenyi  (links). Foto: Archiv NPÚ
Während es anderswo zu nationalistisch motivierten Zwistigkeiten kam, gab es diese laut Blanka Petráková in Luhačovice jedoch nicht. Das Statut des Verschönerungsvereins wurde bereits zweisprachig verfasst: Tschechisch und Deutsch. Beide Sprachversionen befinden sich im Archiv der Kuranstalt.

„In Luhačovice wurden zu Beginn vor allem kulturelle Veranstaltungen organisiert. Die hatte es zuvor nicht gegeben. Wichtig war, dass der Verein von Anfang an von der Gräfin Serenyi unterstützt wurde. Sie vertrat damit ihren Ehemann, den Besitzer der Kuranstalt, der sich wegen seiner beruflichen Verpflichtungen nicht häufig in Luhačovice aufhielt. Die Gräfin nahm an einer Reihe von Wohltätigkeitsveranstaltungen teil, die der Verein organisierte. Davon zeugt auch das Foto von einem Kiosk, an dem man sich ein besonderes Andenken kaufen konnte. Auf dem Foto ist die Gräfin mit einem übergroßen Hut abgebildet. Organisiert wurden zum Beispiel auch Konzerte, Tanzbälle oder Theatervorstellungen. Aus dem Ertrag wurden zum Beispiel Sitzbänke für den Kurpark gekauft oder verschiedene kulturelle Veranstaltungen für die Kurgäste finanziert. Der Ertrag wurde dann erneut in die Kultur reinvestiert.“

Luhačovice 1906  (Foto: Pavel Fric,  Public Domain)
Schon bald aber reichte die Tätigkeit über Kulturveranstaltungen hinaus:

„Luhačovice war damals noch ein Dorf mit höchstens eintausend Einwohnern. Ihr Lebensstil war eher traditionell, und sie interessierten sich nicht sonderlich für das Geschehen auf dem Kurgelände. Doch der Verein wollte auch die Umgebung kultivieren. Er bemühte sich daher, dass die Blumengärten und Straßen gepflegt oder etwa Sitzbänke aufgestellt wurden. Ebenso beteiligte sich der Verein an der Markierung von Wanderwegen. 1909 erschien dann eine Landkarte sowohl mit kürzeren Spazierrouten in der nahen Umgebung des Kurgeländes, als auch mit etwas anspruchsvolleren Trassen.“

Blumengärten und Sitzbänke

Marie Calma Veselá  (links). Foto: Archiv des Museums Südostmährens in Zlín
Eine jener Persönlichkeiten, die in Luhačovice ihre Spuren hinterlassen haben, war Marie Calma Veselá. Die Sängerin kam 1908 und 1909 zu Besuch, und dann noch einmal 13 Jahre später. Trotz der kurzen Verweilzeit gab sie der kulturellen Entwicklung in Luhačovice wichtige Impulse. Blanka Petráková:

„Zum ersten Mal kam sie in Begleitung ihres Vaters, der hier eine Sitzung von Prager Rechtsanwälten organisiert hatte. Marie Calma gab für sie als studierte Opernsängerin ein Konzert im hiesigen Kurtheater. Bei dieser Gelegenheit lernte sie František Veselý, den Direktor der Kuranstalt, kennen. Zwischen den beiden sprang gleich der Funke über, und nur zwei Monate später fand in Luhačovice ihre Hochzeit statt. Marie Calma Veselá verbrachte mit ihrem Ehemann auch die nächste Kursaison von1909 hier. In der Villa ‚Lipová‘, wo das Ehepaar wohnte, trafen sich namhafte Künstler. Unter ihnen auch der Komponist Leoš Janáček. Ihn hatte die 27-jährige Opernsängerin schon bei ihrer Geburtstagsfeier während ihres ersten Aufenthalts kennengelernt.“

Marie Calma Veselá sorgte dafür, dass Janáčeks Oper „Jenufa“ nach der Weltpremiere 1904 in Brno / Brünn zwölf Jahre später auch auf der Bühne des Prager Nationaltheaters aufgeführt wurde. In Luhačovice war sie zusammen mit dem Verein zur Ortsverschönerung in einem weiteren Bereich aktiv. Blanka Petráková:

Kurstadt Luhačovice  | Foto: Pavel Fric,  CC BY-SA 4.0 DEED
„Ab 1909 wurde in Luhačovice eine Kurort-Zeitung herausgegeben – es war die erste dieser Art hierzulande. Die Redaktion hatte Marie Calma während ihres ersten Aufenthalts hier. Sie verfasste Beiträge für die Kultur- und Modekolumnen. Interessant sind auch ihre Artikel von beinahe philosophisch gefärbtem Inhalt. Außerdem veranstaltete sie eine Umfrage, die mir persönlich besonders gefällt. Mit der Frage ‚Wie stelle ich mir die Zukunft der Kurstadt Luhačovice vor?‘ wandte sie sich an hiesige Kurärzte und bedeutende Persönlichkeiten unter den Kurgästen. Was die Befragten zu Beginn des 20. Jahrhunderts antworteten, ist in der Tat eine ideenreiche Lektüre auch in der heutigen Zeit.“

Nachbarschaftshilfe im Ersten Weltkrieg

Die Vereine zur Ortsverschönerung waren von großer Bedeutung für das gesellschaftliche Leben praktisch überall. Und das sowohl zu Zeiten der Habsburgermonarchie als auch ab 1918 in der selbständigen Tschechoslowakei. Besonders in den 1920er Jahren waren die Aktivitäten der Vereine landesweit von patriotischer Begeisterung getragen. Massenhaft engagierten sich die Bürger in der Bewegung zur Ortsverschönerung.

„Auch in Luhačovice war der Verein nicht mehr nur eine Angelegenheit einiger Ärzte und Gewerbetreibender. Zunehmend engagierten sich Einheimische sowie Sommergäste. Während der Kursaison halfen sie bei der Organisation verschiedener Veranstaltungen wie zum Beispiel Theatervorstellungen, Konzerten oder den sogenannten ‚Slowakischen Tagen‘. Da sammelte man Gelder für karitative Zwecke und gab dies Menschen in der Slowakei, die bei einer Feuerbrunst ihre Häuser verloren hatten. Gelder wurden aber auch für jene Polen gespendet, die während des Ersten Weltkriegs in Luhačovice Zuflucht fanden.“

Verschönerungsverein Calma Luhačovice  (Foto: Offizielle Facebook-Seite des Verschönerungsvereins)
Die „Verschönerungsbewegung“ wurde dann durch die deutsche Besetzung Böhmens und Mährens und den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Nach 1945 kam es zu einer kurzen Wiederbelebung, doch die Machtübernahme durch die Kommunisten setzte dem 1948 ein schnelles Ende. Besonders die 1950er Jahre seien ein Desaster für jegliche Vereinstätigkeit hierzulande gewesen, so die studierte Ethnografin Blanka Petráková:

„Zunächst wurden die meisten Vereinsaktivitäten verboten, dann die Vereine aufgelöst. In den folgenden Jahrzehnten bis zur politischen Wende von 1989 schien es, dass die früheren Vereine für immer der Vergangenheit angehören würden. Und das trotz der immensen Arbeit, die sie geleistet haben.“

Seit 1990 engagieren sich die Einwohner vieler böhmischer und mährischer Städte aber erneut auch auf lokaler Ebene. In Luhačovice ist sogar der Verschönerungsverein wiedergegründet worden.