Kaiser Karl IV. – Herrscher mit Geschick

Vita Caroli Quarti: Die Autobiographie Karls IV.

Kaum eine historische Persönlichkeit verbindet die Tschechen und Deutschen mehr als Karl IV. Der böhmische König und römisch-deutsche Kaiser wählte Prag zu seinem Sitz. Die Tschechen bezeichnen ihn seit Jahrzehnten als „Vater des Vaterlandes“, und vor wenigen Jahren haben sie ihn in einer großen Umfrage zum „größten Tschechen“ gewählt. Anlässlich des 700. Geburtstags von Karl IV. ein kleines Porträt des mittelalterlichen Herrschers.

Haus „U Štupartů“  (Foto: Ben Skála,  CC BY-SA 3.0)
Es war wahrscheinlich im Haus „U Štupartů“ in der Prager Altstadt. Die 24-jährige Elisabeth aus dem Přemyslidengeschlecht, Gattin des böhmischen Königs Johann von Luxemburg, bringt ein Kind zur Welt. Die Prager Burg ist zu der Zeit nach einem Brand noch nicht wieder bewohnbar. Zwei Wochen danach wird der Junge als Wenzel getauft, erst ein paar Jahre später erhält er den Namen seines Patenonkels – Karl. Seine künftige Karriere ist bereits vorbestimmt: nach seinem Vater die Herrschaft in Böhmen zu übernehmen und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu werden.

Um ihm die bestmögliche Erziehung zu ermöglichen, schickt ihn sein Vater für etwa sieben Jahre an den französischen Hof. Wie er später in seiner Autobiografie schreibt, wird er in Paris in fünf Sprachen unterrichtet: Latein, Deutsch, Tschechisch, Französisch und Italienisch. Einer seiner Lehrer ist der spätere Papst Klement V., er bringt ihm die Grundlagen der Scholastik bei. Daneben lernt der junge Prinz die Grundlagen der französischen und europäischen Politik kennen. Diese Erfahrung beeinflusst auch seine spätere politische Strategie: Lebenslang wird er sich für die zentralisierte Monarchie nach französischem Vorbild einsetzen.



Václav Žůrek  (Foto: Archiv der tschechischen Akademie der Wissenschaften)
1331 wird Karl von seinem Vater Johann von Luxemburg mit dem ersten politischen Engagement beauftragt: Er geht als Vogt seines Vaters nach Italien, um dort dessen strategische Interessen durchzusetzen. Den Grund erläutert Václav Žurek, Historiker an der Prager Karlsuniversität:

„In Italien gab es zu dieser Zeit keinen mächtigen Herrscher. Der Papst amtierte nicht in Rom, sondern in Avignon, und der damalige Kaiser Ludwig von Bayern übte seine Macht nur in den deutschsprachigen Gebieten des Reiches aus. Frankreich war ziemlich stark, es stand aber vor einem Krieg mit England. Das war der passende Moment für die Luxemburger – sie versuchten, die mächtigste Dynastie Europas zu werden.“

Ordnung schaffen in den Böhmischen Ländern

Johann von Luxemburg  (Foto: Public Domain)
Nach einer militärischen Auseinandersetzung verloren jedoch die Luxemburger Italien. Karl begab sich danach nach Böhmen. Das Land steckte in einer tiefen Krise, König Johann hatte es mit hohen Schulden belastet, und er zeigte sich praktisch überhaupt nicht in Prag. Karl nahm sich vor, wieder Ordnung zu schaffen im Land. Sein Vater stimmte diesem Vorhaben zu und ernannte ihn zum mährischen Landgraf. Obwohl Karl praktisch keine Kompetenzen hatte, konnte er sich auf die Unterstützung vieler böhmischer Adliger verlassen. Sie halfen ihm, die Schulden zu tilgen und die Lage zu stabilisieren. Johann erkannte, dass sein Sohn alle Voraussetzungen hatte, ein guter König zu werden. 1341 kündigte der Herrscher dem Landtag der Böhmischen Länder seine Entscheidung an, dass Karl nach ihm den Thron besteigen solle.

Schlacht bei Crécy-en-Ponthieu
Der Kronprinz begann aber schon vorher, seine eigenen Ideen umzusetzen. Dazu gehörte vor allem die Erhebung des Prager Bistums zum Erzbistum, die er 1344 aushandelte. Im gleichen Jahr legte er noch zusammen mit seinem Vater den Grundstein für den Veitsdom und überwachte den Bau persönlich. 1346 war es so weit: Johann von Luxemburg fiel in der Schlacht bei Crécy-en-Ponthieu. 1346 wurde Karl zum römisch-deutschen König gewählt, und ein Jahr später bestieg er den böhmischen Thron. Der Historiker und Publizist Radomír Malý ist der Meinung, dass Karl IV. Böhmen zivilisiert habe.



Radomír Malý  (Foto: Dezidor,  CC BY-SA 3.0)
„Er verbat die Ordalien, die sogenannten Gottesurteile, die erlassen wurden, wenn ein vermeintlicher Täter nicht mit Beweisen überführt werden konnte. Auch grausame Strafen wie das Abtrennen von Körperteilen wurden aufgehoben oder die übermäßige Belastung durch Abgaben. Die Untertanen bekamen sogar das Recht, ihre Grundherren vor das Landesgericht stellen zu lassen. Karl ließ sich vor allem von den Ideen des heiligen Wenzel inspirieren, das heißt die christliche Idee der Barmherzigkeit. Karl war ein sehr religiöser Mensch und hielt sich für einen gotterwählten Herrscher. Die Böhmischen Länder sollten seinen Vorstellungen zufolge eine feste ideelle Grundlage und Ausrichtung erhalten.“

Mit diplomatischem Geschick auf den Kaiserthron

Gründung der Prager Universität
Diesem Ziel entsprach auch die Gründung der Prager Universität im Jahr 1348. Die Hauptstadt Böhmens entwickelte sich dadurch zu einer der wichtigsten geistigen und kulturellen Zentren Europas. Kurz zuvor starb nämlich der römische Kaiser Ludwig von Bayern, und Karl wurde praktisch der mächtigste Herrscher Europas. Auf den kaiserlichen Titel musste er dennoch warten. Er hatte viele Konkurrenten für dieses Amt, unter anderem auch den englischen König Edward III. Mit diplomatischem Geschick gelang es Karl aber letztlich, sich gegen die Opposition durchzusetzen. Am 17. Juni 1349 wurde er in Frankfurt am Main zum römischen Kaiser gekrönt. Dies geschah bei der Versammlung aller Kurfürsten und Fürsten des Reiches, die dem neuen Herrscher dann ihre Ehre erwiesen.

Martin Nodl  (Foto: Archiv der tschechischen Akademie der Wissenschaften)
Wie bei allen großen Persönlichkeiten, lassen sich auch bei Karl IV. bestimmte kontroverse Eigenschaften finden. Er sammelte zum Beispiel die Überreste von christlichen Heiligen, die er in den Klöstern Europas bei seinen Reisen kaufte. Die Mönche waren davon überhaupt nicht begeistert, es handelte sich schließlich um äußerst wertvolle Schätze für jedes Kloster. Trotzdem wagte praktisch keiner, die Reliquien nicht auszuhändigen. Dazu Martin Nodl, Historiker an der Prager Karlsuniversität:

„Die Gründe sind nicht bekannt, warum die Reliquien für ihn so wichtig waren. Ich denke aber, für ihn stand die sakramentale Bedeutung, die die Theologie den Reliquien zuweist, erst an zweiter Stelle. Meiner Meinung nach wollte er vor allem möglichst viele Gegenstände für die kaiserliche Schatzkammer sammeln, um das Ansehen seines Kaisertums zu erhöhen. Es war damals üblich, mit Heiligenreliquien Geschäfte zu machen, sie waren teils noch mehr wert als Gold. Karl ging dabei sehr pragmatisch vor. Er entschied sich zum Beispiel, hauptsächlich an Reliquien von Karl dem Großen zu kommen. Diesen Kaiser aus dem achten Jahrhundert hielt er für das Vorbild eines christlichen Herrschers, für denjenigen, der das römische Kaisertum wiederbelebt hatte. Die Stellung Karls des Großen als Heiliger war aber fraglich, im 14. Jahrhundert wurde das je nach Diözese unterschiedlich gesehen. Trotzdem entschied sich Karl IV., den Ruhm seines Namensvetters auf Prag zu übertragen und hier ein Kloster zu seinen Ehren zu gründen.“

Reliquienfimmel und Juden-Pogrome

Vita Caroli Quarti: Die Autobiographie Karls IV.
In seiner Biographie stellte sich Karl IV. als tief gläubiger Katholik dar. Er räumte ein, dass er zu Jugendzeiten ein wildes Leben geführt hatte, betont aber auch, dass er sich unter dem Einfluss seines Erziehers geändert habe. Im Vergleich mit anderen europäischen Herrschern wirkte er wirklich anders: Obwohl er insgesamt vier Frauen und elf Kinder hatte, ist von ihm keine Geliebte und kein uneheliches Kind bekannt. Seine Ehen waren natürlich politisch begründet, er blieb aber offensichtlich jeder seiner Gemahlinnen treu.

Was aber nicht ganz so positiv erscheint, ist Karls Einstellung gegenüber den Juden. Diese waren im Mittelalter direkte Untertanen des Königs. Das bedeutete aber auch, dass Gläubiger die Verbindlichkeiten des Königs bei den Juden eintreiben konnten. Karl nutzte diese Möglichkeit mehrmals aus.

Juden-Pogrom
„Karl selbst hat kein Pogrom ausgelöst. Es ist aber ein Fall aus Nürnberg bekannt, bei dem er den Bürgern praktisch erlaubte, ein Pogrom zu begehen und Teile des geraubten Eigentums zu behalten. Weder bei diesem noch bei anderen Pogromen drängte Karl auf die Bestrafung der Täter. So verhielten sich aber auch andere Herrscher, denn die Juden waren die einzigen, die Geld gegen Zinsen verleihen durften. Deswegen waren sie auch reich, was bei den sonst so frommen Christen Neid auslöste. Und der König profitierte dann von den Pogromen“, so Martin Nodl.

32 Jahre lang herrschte Karl in Böhmen und Deutschland, davon 23 Jahre als römisch-deutscher Kaiser. Es war eine goldene Ära, die aber mit dem Tod von Karl zu Ende ging. 1378 kam das, was der Herrscher besonders gefürchtet hatte: das päpstliche Schisma, das Europa für Jahrzehnte in Krieg und Chaos stürzte. Karl musste das nicht mehr erleben, er starb im selben Jahr bereits, als sich die römische Kirche spaltete.