Großzügig und sparsam zugleich - der Mäzen Josef Hlávka

Josef Hlávka (Foto: Martina Schneibergová)

Zwei Wahrzeichen von Prag, die Karlsbrücke und die Statue des Heiligen Wenzel, sind dank eines Mannes in ihrer heutigen Form erhalten: Josef Hlávka ist sein Name und 100 Jahre sind seit seinem Tod am 11. März 1908 vergangen. Wenn Sie mit der tschechischen Geschichte vertraut sind und diesen Namen dennoch nicht in Verbindung mit diesen Sehenswürdigkeiten bringen können, so hat dies einen Grund: Josef Hlávka, selbst hochrangiger Architekt, Baumeister und Politiker, hat viel Geld in die beiden Denkmäler gesteckt – doch ohne dies an die große Glocke zu hängen.

Josef Hlávka  (Foto: Martina Schneibergová)
Als der gerade fünfzehnjährige Josef Hlávka zusammen mit seinem Bruder Antonín zum Schulaufenthalt nach Prag aufbricht, ahnt niemand, dass er wenige Jahre später als Multimillionär in seinen Heimatort Přeštice bei Pilsen zurückkehrt. Die Karriere, die für den jungen Hlávka an der Technische Hochschule in Prag und der angesehenen Akademie der Bildenden Künste in Wien beginnt, findet seinen ersten Höhepunkt in der Verleihung eines dreijährigen Reisestipendiums für besondere Leistungen. Dank dessen studiert Hlávka die Architektur in ganz Europa. Zurück in Wien arbeitet er gleichzeitig als Architekt und Leiter einer Baufirma. Äußerste Sorgfalt und Fleiß, schnelle und präzise Arbeit sowie kluge Geschäftsideen – wie etwa den Bau von zahlreichen, billigen Arbeiterwohnungen - verhelfen Hlávka in den kommenden zehn Jahren zu prestigereichen Aufträgen, politischem Einfluss und zu einem Vermögen, das sich in Millionenhöhe bewegt. Karel Ksandr, der stellvertretende Leiter des Prager Nationalmuseums, bestätigt die ungewöhnliche Bandbreite von Hlávkas Wirken:

„Seine Außergewöhnlichkeit besteht ohne Zweifel in dem ungeheuer breiten Spektrum seiner Tätigkeiten, weil er außer Baumeister und Architekt noch Mäzen und Sponsor sowie Gründer der Akademie der Wissenschaften war. Er war zudem Politiker als Mitglied des Landtags und wirkte auch einige Zeit lang als Pädagoge. Im Wesentlichen kann man sagen, dass es in den böhmischen Ländern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kein kulturelles Vorhaben gab, an dessen Beginn nicht Josef Hlávka stand.“

Hlávka-Schloss in Preščice  (Foto: Martina Schneibergová)
Neben seinen beruflichen Verpflichtungen findet Hlávka auch Zeit, seine Jugendliebe Marie Čermáková zu heiraten, seiner Mutter das Anwesen Lužany bei Klatovy / Klattau zu kaufen und sich jeden Freitag mit seinen böhmischen Freunden zu treffen. Doch mit 42 Jahren findet der steile Aufstieg ein jähes Ende: Hlávka erkrankt schwer. Eine Lähmung bindet ihn an den Rollstuhl und er erblindet fast vollständig. Die Krankheit zwingt Hlávka, sich im Jahr 1873 aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. Sein Besitz ist bereits so groß, dass er sich zur Ruhe setzen und die besten Kurorte Europas aufsuchen kann. Die folgenden zehn Jahre kämpft er um seine Genesung. Der tiefgläubige Katholik Hlávka findet, dankbar über seine um 1882 wiedererlangte Gesundheit, ein neues Betätigungsfeld. Von nun an will er sein gesamtes Vermögen zur Förderung des kulturellen Lebens der böhmischen Nation einsetzen.

Hlávka-Schloss in Preščice  (Foto: Martina Schneibergová)
Am 8. November 1882 stirbt Havelkas erste Frau Marie an Tuberkulose. Seine zweite Frau, Zdeňka Havelková, verhilft ihm nach dem schmerzlichen Verlust zu neuem Lebenswillen. Sie macht ihn mit dem Musiker Antonín Dvořák bekannt und unterstützt ihren Mann in seiner Hinwendung zur Förderung von Kunst und Wissenschaft. Hlávka gründet den „Fonds der Eheleute Hlávka zur Verleihung eines Preises in der Dichtkunst“. Im selben Jahr beantragt er die Errichtung der Tschechischen Akademie für Wissenschaft, Literatur und Kunst. Bevor die Akademie 1891 ihre Arbeit aufnimmt, investiert ihr Mäzen eine große Summe in das Vorhaben. Karel Ksandr vom Nationalmuseum in Prag:

„Er spendete dieser neu gegründeten Akademie 200.000 Gulden, was ein ungeheuer hoher Betrag war, umgerechnet heute etwa 50 Millionen Kronen.“

Das entspricht einer Summe von rund 1,6 Millionen Euro. Selbst kinderlos, liegt Hlávka die Förderung von Studenten besonders am Herzen. Karel Ksandr betont, dass Hlávka noch zu Lebzeiten nicht nur einmalige Summen spendete, sondern über Jahre hinweg mehrere Stiftungsprojekte finanzierte, um begabten Studenten Unterkunft, Studienmaterial und Kost zu ermöglichen:

Hlávka-Studentenwohnheim in Prag 2
„Man spricht eigentlich davon, dass er den ´Fonds von Josef, Maria und Zdeňka Hlávka´ gegründet hat. Fast in Vergessenheit geraten ist aber, dass Hlávka vor der Entstehung dieses großen Fonds jede Menge kleinere Stiftungen ins Leben gerufen hat. Zum Beispiel die Stiftung zur Unterstützung der Technischen Hochschule in Prag und Brünn oder der Tschechischen Universität in Prag. Dazu gehört auch die Stiftung Lužany-Přeštice zur Förderung der dortigen Bewohner. Er wollte ihnen zum Beispiel ermöglichen zu studieren. Was im Jahr 1904 in der Gründung des ´Fonds von Josef, Maria und Zdeňka Hlávka´ gipfelte, hatte also seine Vorgänger“, so Ksandr.

Hlávka lässt Studentenwohnheime erbauen. So will er vor allem armen und besonders begabten Studenten beste Studienbedingungen ermöglichen. In seinem Testament hält er fest:

„Die Studentenwohnheime sollen, so weit dies möglich ist, den wirklich ausgezeichneten, mittellosen Studenten der böhmischen Hochschulen in Prag die Alltagssorgen abnehmen. Und sie sollen ihnen ermöglichen, sich mit Fleiß, Ausdauer und patriotischer Begeisterung ihrer fachlichen und gesellschaftlichen Bildung zu widmen.“

Josef Hlávka  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Förderung ließ Hlávka nur an böhmische Studenten auszahlen. Seine Idee war, dass diese nach Abschluss des Studiums ihrer Nation zum Aufstieg verhelfen und so die kulturelle Stellung Böhmens im weltweiten Wettbewerb sichern können. In den Jahren 1904 bis 1939 durchlaufen bis zu 3500 Studenten Hlávkas Studentenwohnheime, und viele von ihnen besetzten nachher wichtige Posten an der Spitze des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens in Böhmen. Dieselbe Zielsetzung verfolgte Hlávka auch mit der Gründung des „Institutes für Volkswirtschaft“ im Jahr 1906. Er war davon überzeugt, dass nur eine positive wirtschaftliche Entwicklung den kulturellen Aufstieg Böhmens unterstützten kann und spendet aus eigenen Mitteln umgerechnet erneut 200.000 Gulden, also umgerechnet 1,6 Millionen Euro.

Wer glaubt, dass Hlávka sich dank seiner Großzügigkeit nur Freunde gemacht hat, täuscht sich. Der Mann, der einerseits hohe Summen seines Vermögens in unterschiedliche Projekte investierte, war auf der anderen Seite sparsam, misstrauisch und stur. Karel Ksandr:

„Er stand sehr fest hinter seiner Meinung und er setzte sie sehr hart durch. Demnach war die Zusammenarbeit mit Hlávka sicherlich nicht einfach.“

Auch seine zweite Frau Zděnka hatte unter der Sparsamkeit Hlávkas zu leiden. Statt ein Leben in Luxus zu führen, wie für eine Millionärsgattin üblich, fehlte ihr häufig sogar das Geld, um sich ein neues Kleid zu kaufen. Dass Hlávka nichts für sich selbst und seine Familie, aber alles für seine Stiftungen ausgab, wird besonders an seinem letzten Willen deutlich: Als Josef Hlávka am 11. März 1908 an einer Blutvergiftung stirbt, vermacht er sein gesamtes Vermögen von umgerechnet heute etwa 16 Millionen Euro seinem Fonds. Und der Fonds fördert bis heute noch Studenten aus diesen Geldern.