Ein Kloster zwischen Ost und West – Speinshart als Begegnungsort in Vergangenheit und Gegenwart

Kloster Speinshart (Foto: Flopro, Wikimedia CC BY-SA 3.0)

Seit dem 12. Jahrhundert gibt es in Speinshart in der nördlichen Oberpfalz ein Kloster des Prämonstratenserordens. Mit Unterbrechungen hat sich das Konvent bis heute gehalten. Vor zwei Jahren wurde in Speinshart eine internationale Begegnungsstätte eröffnet. Sie richtet ihren Blick insbesondere auch nach Tschechien, denn die Geschichte des Klosters ist eng verknüpft mit dem Stift Tepl / Teplá bei Marienbad.

Kloster Speinshart  (Foto: Joshuashearn,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Das Klosterdorf Speinshart liegt in einem Tal zwischen Wald und Wiesen. Die Barockkirche der Baumeister Georg und Wolfgang Dientzenhofer beherrscht die Landschaft. Im Westen liegt Bayreuth, dorthin fährt man eine halbe Stunde. Im Osten erreicht man nach einer Stunde Tschechien. Neun Brüder des Prämonstratenserordens leben und arbeiten in Speinshart. Architekturliebhaber besuchen das Kloster wegen der geschlossenen Anlage und wegen des verspielten Stucks der Gebrüder Lucchese im Innenraum der Kirche. Seit einiger Zeit gibt es auch Gäste mit anderen Interessen. 2012 hat der Konvent eine internationale Begegnungsstätte eröffnet. Klöster kämpfen heute allerorts mit Nachwuchsmangel. Sie müssen sich nach außen legitimieren und suchen nach neuen Wegen, um zu überleben. Der junge Priester Florian Lukas Prosch ist der Leiter der Internationalen Begegnungsstätte. Begegnung sei seit jeher eine Leitlinie seines Ordens gewesen und keineswegs eine Neuerfindung, sagt Pater Lukas:

Norbert von Xanten
„Die Prämonstratenser sind ein Seelsorgeorden. Für den Ordensgründer Norbert von Xanten war es von Anfang an wichtig, das wir uns nicht hinter den Klostermauern zurückziehen, sondern auf die Menschen zugehen, dass wir als Priester vor Ort in den Gemeinden rings um die Klöster tätig sind. Für mich ist das auch ein Stück weit der Sendungsauftrag für unsere Begegnungsstätte. Dass wir zunächst mit den Menschen aus der Region Fragen zum Glauben und Leben angehen, aber auch diese Offenheit in die heutige Zeit weiterdenken. Wir möchten allen, die nach Gott oder nach Spuren des Glaubens in ihrem Leben suchen, eine Möglichkeit der Begegnung geben. Ich glaube, die Kunst, die Kultur sind wunderbare Medien, um dies zu vermitteln. Und wir sehen hier in Speinshart, dass es funktioniert.“



Florian Lukas Prosch  (Foto: Archiv des Klosters Speinshart)
Gemeinsam mit einem Referenten und einer Sekretärin stellt Pater Lukas nun Ausstellungen, Konzerte und Lesungen auf die Beine. Religion kann, muss aber nicht im Vordergrund stehen. Pater Lukas, der selbst ausgebildeter Kirchenmaler ist, hat eine Vorliebe für moderne Kunst. Vor kurzem gab es eine Ausstellung mit Skype-Screenshots. Auch Vorträge über gesellschaftspolitische Themen stehen regelmäßig auf dem Programm. Das Publikum kommt aus der näheren Umgebung, aus Weiden oder Bayreuth, aber auch aus dem Raum Nürnberg. Es gibt Seminarräume, und seit vergangenem Jahr auch die Möglichkeit zur Übernachtung im renovierten Klostergasthof. Viele Besucher zieht der besondere Schwerpunkt der Begegnungsstätte an. Direkt an der Grenze sind deutsch-tschechische Veranstaltungen gang und gäbe. Speinshart ist aber schon ein wenig weiter im Landesinneren. Doch der Focus auf Tschechien hat einen guten Grund:

Kloster Tepl  (Foto: Frans Da,  CC BY-SA 3.0)
„Der Bezug von Kloster Speinshart zu Tschechien kommt aus der jüngeren Geschichte. Das Kloster Speinshart wurde nach der Säkularisierung von 1803 im Jahr 1921 vom Prämonstratenserorden im Kloster Tepl, das bei Marienbad liegt, erworben. Damals hat Abt Gilbert Helmer das Kloster vom Bayerischen Staat zurückgekauft und einige Mitbrüder nach Speinshart geschickt, um ein neues klösterliches Leben zu beginnen.“

Nach über hundert Jahren in weltlichem Besitz ermöglichte Tepl dem Kloster Speinshart einen Neuanfang. Erst kamen zwei, dann ein dritter Chorherr aus Tepl nach Speinshart. In den 1930ern gab es erste Neueintritte, langsam kam der Konvent wieder auf die Beine. Ohne Tepl im Rücken hätte Speinshart zu dieser Zeit nicht überleben können. Tepls damaliger Abt Gilbert Helmer war zugleich Administrator vom Kloster Speinshart. Pater Lukas:

Gilbert Helmer
„Das Kloster oder Stift Tepl, wie man damals sagte, war in den 1920er Jahren in einer äußerst guten Situation. Man sprach damals vom reichsten Kloster der Welt, und für Abt Gilbert Helmer war es damals fast eine Nebensache, das Kloster Speinshart zu kaufen. Es gibt die Anekdote, dass er seinen Mitbrüdern am Frühstückstisch nebenbei eröffnet hat, dass er Kloster Speinshart gekauft hat – gewissermaßen unter ferner liefen.“

Ab 1944 änderte sich die Situation grundlegend. Abt Helmer starb, und nach Kriegsende folgte die Vertreibung der Deutschen – auch der deutschsprachigen Ordensbrüder. Viele kamen zunächst im Kloster Speinshart unter. 1948 übernahmen in Prag die Kommunisten das Ruder und liquidierten landesweit die Kirchen und Klöster. Ab 1950 existierte das Kloster Tepl nicht mehr. Wenige tschechischsprachige Chorherren versuchten ihren Konvent im Verborgenen am Leben zu erhalten. Doch Speinshart hatte seine finanzielle Schutzmacht verloren. Und die Rollen hatten sich auf einmal umgekehrt. Nun benötigten die Tepler Unterstützung aus Speinshart:

Kloster Speinshart  (Foto: Flopro,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
„Offiziell gab es damals zwischen den beiden Klöstern Tepl und Speinshart keinen Kontakt. Der Konvent von Tepl wie auch von Kloster Strahov in Prag bestand aber im Untergrund und hat sich nur heimlich getroffen. Hier im Kloster Speinshart gab es einen Mitbruder, unseren Pater Hermann, der im Geheimen die Kontakte zu den Mitbrüdern in der Tschechoslowakei gepflegt hat. Speinshart war damit eine Drehscheibe vom Westen zum Osten. Wann immer jemand aus dem Orden von West nach Ost gegangen ist, ging er über Speinshart. Um Informationen, aber auch um Dinge mitzunehmen. Mir ist bekannt, dass Messbücher und Lesungsbücher rübergebracht wurden, auch Gegenstände für den Gottesdienst, die es dort nicht gab. Heimlich und auf abenteuerliche Weise wurden diese nach drüben geschafft.“

1979 gründete sich in Speinshart ein Förderverein für eine Begegnungsstätte. Schon damals stand dahinter die Idee, den besonderen Bezug von Speinshart nach Böhmen herauszustellen. Verwirklichen ließ sich das erst nach der Wende. 1990 erhielten die Prämonstratenser ihr Kloster offiziell vom Staat zurück. Es war zu diesem Zeitpunkt so marode, dass die Chorherren anfangs im benachbarten Marienbad übernachten mussten. Nun leistete das Kloster Speinshart Aufbauhilfe. Anfang der 1990er Jahre kamen für etwa ein Jahr junge Chorherren aus Tepl nach Speinshart:

Kloster Strahov  (Foto: CzechTourism)
„Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war das Noviziat des Klosters Tepl hier in Speinshart. Denn Speinshart war das nächste intakte Kloster in der Nähe von Tepl, wo sich der Konvent wieder zusammenfinden konnte. Speinshart wurde zum Ort der Begegnung für die Tepler Chorherren. Ziel des Noviziats hier in Speinshart war es, junge Mitbrüder auf ihren Dienst im Kloster und den späteren Dienst als Priester vorzubereiten, und den neuen Brüdern somit im Kloster eine erste Ausbildung zu geben.“

Heutzutage ist die Beziehung zum Kloster Tepl freundschaftlich, aber eher distanziert. Einen Austausch gibt es nach wie vor. Doch das größte Problem der Brüder in Tepl ist der Erhalt der riesigen Klosteranlage. Das Prämonstratenserkloster Strahov, wo Ordensgründer Norbert begraben liegt, hat mit seiner Lage mitten in Prag keinen Mangel an Aufmerksamkeit und Aufgaben. Thomas Englberger reist als Referent der Begegnungsstätte Speinshart häufig Richtung Osten. Speinshart beschreibt er als „Begegnungsstätte mit deutsch-tschechischem Akzent“, und danach richtet sich auch das Programm:

Thomas Englberger  (Foto: Archiv des Klosters Speinshart)
„Die Geschichte zwischen Bayern und Böhmen und zwischen Deutschland und Tschechien ist ja keine Ungetrübte. Es gibt schmerzhafte und schwierige Themen, es ist auch mein Anliegen diesen Themen genügend Platz zu geben. Aber nur darauf will ich mich nicht fokussieren. Mir ist es auch wichtig, dass junge Künstler zu uns kommen, die vielleicht noch wenig Kontakt zu Deutschland hatten und hier noch nicht so bekannt sind. Das hat sich in den letzten beiden Jahren gut eingespielt.“

Einer der Künstler ist Lukáš Houdek. Englberger hat ihn in Prag kennengelernt, und konnte ihn überzeugen, nach Speinshart zu kommen. Der Fotograf wurde 2012 schlagartig bekannt, als er die Vertreibung der Deutschen mit Barbiepuppen inszenierte. Inzwischen hat Houdek schon zweimal in Speinshart ausgestellt, und weitere Projekte sollen folgen. 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wird diesen Winter aber ein Schwerpunkt auf der jüngeren tschechischen Geschichte liegen. Englberger konnte dazu zwei Referenten gewinnen:

Miroslav Kunštát  (Foto: Archiv der Karlsuniversität in Prag)
„Miroslav Kunštát als ein ehemaliger Berater von Václav Havel wird zu uns kommen, was mich sehr freut. Wie ich mitbekommen habe, ist das nicht so selbstverständlich. Seine Zusage ist für uns eine Ehre. Und auch die Gründungspräsidentin der deutsch-tschechischen Gesellschaft in Bayreuth, Kristina Jurosz-Landová, wird kommen und einen Vortrag über Václav Havel halten.“

Die eng verflochtene Geschichte der Konvente Tepl und Speinshart über Regime- und Landesgrenzen hinweg wartet noch auf eine wissenschaftliche Aufarbeitung. Dafür gibt es im Herbst eine praktische Annäherung zwischen den beiden Orten. Ende September pilgert eine Gruppe von Interessierten von Speinshart aus über die Grenze bis nach Tepl. In fünf Tagesetappen zwischen Bayern und Böhmen gehen die Wanderer zu dem Ort, mit dem Speinshart so eng verbunden ist. Thomas Englberger:

Kloster Tepl  (Foto: Tilman Rothermel)
„Die Geschichte der Prämonstratenser beinhaltet immer eine Verbundenheit des Klosters mit seiner Umgebung. So kann es gar nicht ausbleiben, dass der Weg von Speinshart aus durch ehemalige Klosterpfarreien, durch ehemaligen Klosterwald und durch Orte führt, die Bezüge zu Speinshart haben. Und genauso ist es, je näher man Tepl kommt. Wenn wir von Marienbad nach Tepl gehen, passieren wir einige ehemalige Pfarreien des Stiftes, und wir gehen durch eine Landschaft, die über Jahrhunderte von diesem Stift geprägt wurde. Darum ist das natürlich mehr als ein Blitzbesuch an einem Ort, wo ich mir eine Kirche ansehe und dann wieder verschwinde. Sondern wir nähern uns wirklich dem Ort.“

Informationen zum Kloster Speinshart sowie zum Programm der Begegnungsstätte finden sich im Internet unter der Adresse www.kloster-speinshart.de