Die Zerstörung von Lezaky

Lezaky

Das Schicksal des böhmischen Dorfes Lidice ist in aller Welt bekannt. Als Vergeltungsakt für das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich war das kleine Dorf am 10. Juni 1942 vernichtet worden, die Männer an Ort und Stelle erschossen, die Frauen und Kinder in Konzentrationslager verschleppt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Lidice zum internationalen Symbol des Freiheitskampfes gegen die Nationalsozialisten. Lidice verschwand nicht von der Landkarte und im Vergessen, wie es die deutschen Okkupanten verkündet hatten. Gleich nach Kriegsende begann man mit dem Wiederaufbau. 145 Frauen und 17 Kinder kehrten zurück und bezogen die neugebauten Häuser. Ein ganz anderes Schicksal hatte dagegen das kleine ostböhmische Dorf Lezaky.

Lezaky
Das Schicksal des böhmischen Dorfes Lidice ist in aller Welt bekannt. Als Vergeltungsakt für das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich war das kleine Dorf am 10. Juni 1942 vernichtet worden, die Männer an Ort und Stelle erschossen, die Frauen und Kinder in Konzentrationslager verschleppt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Lidice zum internationalen Symbol des Freiheitskampfes gegen die Nationalsozialisten. Lidice verschwand nicht von der Landkarte und im Vergessen, wie es die deutschen Okkupanten verkündet hatten. Gleich nach Kriegsende begann man mit dem Wiederaufbau. 145 Frauen und 17 Kinder kehrten zurück und bezogen die neugebauten Häuser. Ein ganz anderes Schicksal hatte dagegen das kleine ostböhmische Dorf Lezaky. Am 24. Juni 1942 wurde auch dieses von den deutschen Okkupanten im Rachefeldzug, der auf das Attentat auf Reinhard Heydrich erfolgte, vernichtet. Die Männer und Frauen wurden erschossen, die Kinder in KZs verschleppt, die Häuser niedergerissen. Das Dorf Lezaky verschwand von der Landkarte und im Gegensatz zu Lidice verschwand es auch im Vergessen - oder kennen Sie Lezaky?

Lezaky
Es gibt zwei grosse Unterschiede zwischen Lezaky und Lidice. In Lidice lebten zum Zeitpunkt seiner Zerstörung rund 500 Menschen, in Lezaky waren es lediglich knapp 50. Lidice hatte mit dem Attentat auf Heydrich nichts zu tun. Die Vernichtung traf eine völlig unschuldige Gemeinde, in der unschuldige Menschen ihr Leben führten. Vielleicht hatten einige von ihnen wie viele andere Tschechen heimlich ausländische Radiosender gehört oder Schriften des Widerstands gelesen. Einige Bewohner von Lezaky aber, gehörten wirklich dem Widerstand an. Unter anderem war in diesem kleinen Dorf ein Sender versteckt, über den Nachrichten an die tschechoslowakische Exilregierung in London vermittelt wurden.

Reinhard Heydrich hatte nach seiner Ankunft in Prag im Herbst 1941 begonnen, gegen Mitglieder des tschechischen Widerstands vorzugehen. In den ersten drei Monaten seiner Amtszeit als stellvertretender Reichsprotektor wurden rund 500 Todesurteile gefällt, über 5.000 Tschechen wurden verhaftet. Die tschechische Untergrundsbewegung wurde zwar empfindlich geschwächt, doch sie hörte nie auf zu existieren. Auch der Historiker Robert Kvacek bestätigt dieses:

"Der tschechoslowakische Widerstand war nicht so klein, wie man manchmal im Westen dachte und denkt. Er hatte nur spezifische Formen. Das Attentat auf Heydrich beweist, dass der Untergrund im Protektorat zu ausergewöhnlichen Taten im Stande war. Denn ohne ein gut funktionierendes Widerstandsnetz, ohne all die Menschen, die den Attentätern geholfen haben, hätte der Anschlag auf Heydrich gar nicht erfolgen können."

Lezaky
Zu dem von Robert Kvacek erwähnten Widerstandnetz lässt sich auch Lezaky zählen, denn hier fanden aus England gesandte tschechische Fallschirmspringer für einige Wochen Unterschlupf.

Ende 1941 reifte in London der Plan, tschechische Fallschirmspringer in das Protektorat zu bringen. Dort sollten sie Kontakt zu existierenden Widerstandsgruppen aufnehmen und ein Attentat auf eine führende Persönlichkeit verüben. Die tschechoslowakische Exilregierung in London wollte dadurch den Alliierten zeigen, dass trotz der Massnahmen Heydrichs im Protektorat noch immer genügend Widerstandskräfte existierten und sich dessen Bewohner nicht mit den deutschen Besatzern zu arrangieren begannen. In der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 1941 landeten drei Gruppen mit ihren Fallschirmen in Böhmen: Silver A, Silver B und Antropoid genannt. Die letztgenannte Gruppe bestand aus Jozef Gabcik und Jan Kubis. Diese zwei führten am 27. Mai 1942 das Attentat auf Heydrich aus. Die erste Gruppe, Silver A, bestand aus drei Soldaten, die einen Sender dabeihatten. Dessen Deckname war Libuse. Die Aufgabe der Gruppe Silver A war es, Kontakt zwischen London und den beiden Attentätern zu halten. Ihr Quartier hatte Silver A in der Nähe von Pardubice. Von verschiedenen Verstecken aus wurden Meldungen nach London gesendet - unter anderem auch aus Lezaky und dem nah gelegenen Steinbruch Hluboka.

Zu jenem Zeitpunkt lebten in Lezaky 16 Männer, 17 Frauen und 14 Kinder. Die Männer arbeiteten fast alle im nahen Steinbruch Hluboka. Dessen Verwalter, Jindrich Vasek, war Leutnant der aufgelösten tschechoslowakischen Armee. Die Mitglieder von Silver A suchten nach ihrer Ankunft im Protektorat Kontakt zu verlässlichen ehemaligen Soldaten - Jindrich Vasek war einer von diesen.

Lezaky
In der Umgebung von Pardubice war eine Widerstandsgruppe tätig, die sich Cenda nannte. Ihre Hauptarbeit war die Verbreitung und Herstellung illegaler Flugblätter. Einer ihrer Mitglieder, Jindrich Svanda, war Müller in Lezaky. Auch der für Lezaky zuständige Wachmeister, Karel Knez, half, die Fallschirmspringer und ihren Sender zu verstecken.

Im Steinbruch Hluboka bei Lezaky wurde der Sender der Silver A Gruppe stationiert. Von hier wurden zu Beginn des Jahres 1942 Meldungen an die Exilregierung in London gesendet. In den folgenden Wochen zog der Sender einige Male um, im April 1942 kehrte er nach Lezaky zurück, zunächst in den Steinbruch, dann in den Kirchturm und schliesslich in die Mühle von Jindrich Svanda. Nach dem Attentat auf Heydrich am 27. Mai wurde die Lage für die Mitwisser gefährlich - die sog. Heydrichiade begann, der Rachefeldzug der Nazis, in dessen Verlauf 1.300 Tschechen hingerichtet, und Tausende in KZs verschleppt wurden.

Die deutschen Okkupanten ahnten, dass der illegale Sender Libuse seine Signale in der Nähe von Parubice ausstrahlte, doch den genauen Standpunkt konnten sie trotz aller Bemühungen nicht orten. Vielleicht wäre das Schicksal der Gemeinde Lezaky und seiner Bewohner glücklich ausgegangen, wäre es Mitte Juni nicht zu einem Verrat gekommen. Einer der Fallschirmspringer, Karel Curda, packte unter dem Druck der Gestapo aus. Er nannte Helfer und Helfershelfer, Kontaktadressen und den Namen Lezaky - für dessen Bewohner glich diese Erwähnung einem Todesurteil.

Auch wenn der Gestapo klar war, dass die meisten der Bewohner von Lezaky nicht im Untergrund aktiv waren und von der Existenz des illegalen Senders keine Ahnung hatten, beschloss man ein weiteres Exempel zu statuieren: Entsprechend Hitlers direkten Anweisungen, jedes Dorf, in dem die Attentäter Hilfe und Unterstützung gefunden hatten, zu vernichten und dessen Einwohner zu erschiessen, sollte die Gemeinde vom Erdboden verschwinden. Dies geschah am 24. Juni 1942:

Um 2 Uhr nachmittags war Lezaky von SS und Sicherheitspolizei umzingelt. Die Bewohner von Lezaky wurden im nahen Steinbruch zusammengetrieben. Die 16 Männer, 17 Frauen und 14 Kinder wurden daraufhin nach Pardubice in das Zamecek genannte Gestapo-Quartier gebracht. Ohne Gericht oder Verurteilung wurden dort noch am gleichen Tag alle Männer und Frauen erschossen. Die 14 Kinder wurden nach Prag gebracht, wo über ihr weiteres Schicksal entschieden wurde: Die Kinder, die in den Augen der Nazis nicht zur Germanisierung taugten, wurden in ein KZ verschleppt. Die Häuser des Dorfes wurden noch am gleichen Tag angezündet, später abgerissen - nichts erinnerte mehr daran, dass an jener Stelle ein kleines Dorf stand. In der Protektoratspresse erschien eine kurze Meldung:

"Am 24. Juni wurde die Ortschaft Lezaky bei Louka, Kreis Chrudim, dem Erdboden gleichgemacht. Die erwachsenen Bewohner wurden entsprechend des Standrechts erschossen. Die Einwohner haben die tschechischen Fallschirmspringer, die grossen Anteil bei der Vorbereitung des Attentats auf den SS Obergruppenführer Reinhard Heydrich hatten, beherbergt und versucht, sie vor polizeilichem Eingreifen zu retten."

Lezaky wurde nach Kriegsende nicht wieder aufgebaut - es gab keinen, der in den neuen Häusern hätte wohnen können. Nur zwei kleine Mädchen kehrten 1945 zurück. Sie waren die einzigen Kinder aus Lezaky gewesen, die von einer deutschen Familie zur Germansierung adoptiert worden waren. Die anderen 12 Kinder aus Lezaky traf wahrscheinlich das gleiche Schicksal wie die Kinder aus Lidice: sie wurden in einem KZ vergast.

Die drei Fallschirmspringer der Gruppe Silver A, die in Lezaky Unterschlupf gefunden hatten, überlebten den Krieg nicht. Alfred Bartos fand bereits am 21. Juni bei einer Verfolgungsjagd den Tot. Josef Valcik nahm sich ebenso wie die beiden Attentäter Jozef Gabcik und Jan Kubis und drei weitere Fallschirmspringer am 18. Juni das Leben, nachdem ihr Versteck in Prag verraten worden war. Jiri Potusek gelang es noch, eine Meldung über das Schicksal von Lezaky nach London zu senden, am 2. Juli 1942 wurde er von seinen Verfolgern erschossen.

Auf dem Gelände des ehemaligen Lezaky befindet sich nun eine Gedenkstätte. Kleine Kreuze stehen an den Stellen, an denen sich einstmals ein Haus befand.

Ende Mai wurde in Prag eine Ausstellung über das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Heydrich eröffnet. Premier Milos Zeman erwähnte bei dieser Gelegenheit den Widerstand der einfachen Leute, der heute oftmals vergessen ist:

"Meine Achtung und Bewunderung gilt nicht nur den Fallschirmspringern, sondern vor allem all den Namenlosen, die die Fallschirmspringer versteckten, ihnen halfen, sie versorgten. Wirklicher Mut äussert sich oftmals in der Vielzahl kaum sichtbarer, kleiner Taten, ohne die es aber weder zu diesem Attentat auf einen Menschen kommen konnte, der das tschechische Volk ausrotten wollte, noch zur Erneuerung der Demokratie"

Zu jenen beachtenswerten Namenlosen gehören ohne Zweifel die Bewohner von Lezaky, die durch ihren Mut und Entschlossenheit ein klein wenig zum Gelingen des Attentats beigetragen hatten und teuer dafür bezahlen mussten.