Der Warschauer Pakt - die Vorgeschichte und Gründung

Foto: Archiv des Militärhistorischen Instituts

Vor genau 25 Jahren ist in Prag eines der Produkte des Kalten Krieges offiziell aufgelöst worden: der militärpolitische Beistandspakt von Moskaus kommunistischen Satellitenländern, der 36 Jahre zuvor mit dem sogenannten Warschauer Vertrag aus der Taufe geholt wurde. Sein Zustandekommen war das Resultat vieler Faktoren im politischen Weltgeschehen. Entscheidend wurde ab 1947, dass die Spannungen zwischen den Alliierten des Zweiten Weltkrieges stark zunahmen. Sie führten letztlich zur Entstehung der bipolaren Welt, in die sich auch die Tschechoslowakei einordnete.

Winston Churchill  (Foto: Public Domain)
Es war kaum ein Jahr nach der Beendigung des Zweiten Weltkriegs, als Winston Churchill beinahe hellseherische Fähigkeiten bewies. Der britische Regierungschef zeichnete ein düsteres Bild von der nahen Zukunft Europas und der Welt. Am 5. März 1946 konstatierte er in der bekannten Rede von Fulton im US-Bundesstaat Missouri:

„Ein Schatten ist auf die Erde gefallen, die erst vor kurzem durch den Sieg der Alliierten hell erleuchtet worden ist. Niemand weiß, was Sowjetrussland und die Kommunistische Internationale in der nächsten Zukunft zu tun gedenken oder welche Grenzen ihren Expansions- und Bekehrungstendenzen gesetzt sind.“

Foto: Jan Rosenauer,  Tschechischer Rundfunk
Churchills Worte, von Stettin an der Ostsee bis hinunter nach Triest an der Adria sei ein „Eiserner Vorhang“ durch den Kontinent gezogen worden, sollten sich bald bewahrheiten. Ebenso seine Behauptung:

„Hinter jener Linie liegen alle Hauptstädte der alten Staaten Mittel- und Osteuropas: Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. Diese berühmten Städte befinden sich in der Sowjetsphäre, und alle sind sie in dieser oder jener Form nicht nur dem sowjetrussischen Einfluss ausgesetzt, sondern auch in ständig zunehmendem Maße der Moskauer Kontrolle unterworfen.“

Stalin  (Public Domain)
Churchills Wortbildung „Iron Curtain“, auf Deutsch „Eiserner Vorhang“ wurde bald weltweit verwendet. Nicht nur von Politikern. Weniger bekannt ist aber, dass der Brite auf eine Feststellung Stalins reagierte.

Der Krieg sei unausweichlich, sagte der sowjetische Diktator am 9. Februar desselben Jahres auf einer politischen Versammlung in Moskau.

Die Tschechoslowaken votieren für den Sozialismus

Dass auch die Tschechoslowakei auf der von Moskau kontrollierten Seite des Eisernen Vorhangs blieb, sehen tschechische Historiker als ein Resultat des Zweiten Weltkriegs im breiten Sinne des Wortes. Vieles deuteten bereits die ersten Parlamentswahlen nach dem Krieg an, als 1946 die Kommunisten zur stärksten Partei wurden. Es hätte aber auch anders kommen können, glaubt der Historiker und Politologe Jan Adamec:

Jan Adamec  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Ende 1945 haben sowohl die Rote Armee als auch das US-amerikanische Heer das Territorium der Tschechoslowakei verlassen. Deswegen bestanden hierzulande größere Chancen, nicht ein totalitäres Regierungssystem einzuführen. Nicht von ungefähr wurde im Fall der ČSR auch von einer möglichen sogenannten Finnlandisierung gesprochen. Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung votierte allerdings in den freien Wahlen für den Sozialismus.“

1948 ergriff die kommunistische Partei die Macht und erfuhr dabei massive Unterstützung durch die Bevölkerung. Das Land schloss sich endgültig den anderen kommunistisch regierten Staaten an. 1949 vereinten sie sich unter der Führung der Sowjetunion vorläufig nur im sogenannten Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW). Doch die Entwicklung im Westen wurde ausschlaggebend dafür, dass man auch eine militärpolitische Kooperation anstrebte.

Viliam Široký  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
Im Oktober 1954 wurde mit der Unterzeichnung der sogenannten Pariser Verträge das Besatzungsstatut in Westdeutschland beendet. Im Mai des folgenden Jahres konnte sich die Bundesrepublik in die Nato integrieren. Westeuropa bevorzugte es, seine sicherheitspolitische Lage sozusagen auf eigene Faust zu lösen, was auf großen Widerwillen der Sowjetunion stieß. Doch die Versuche, dies zu vereiteln, scheiterten.

Ende November 1954 trafen sich Spitzenpolitiker der Ostblockländer zu Beratungen in Moskau. Der tschechoslowakische Ministerpräsident Viliam Široký legte den Vorschlag vor, ein sicherheitspolitisches Sonderbündnis der ČSR, Polens und der DDR zu gründen. Der Länder also, die sich durch die Entwicklung in Westeuropa besonders gefährdet fühlten. Sie stuften die Pariser Verträge als einen Versuch ein, die BRD – wie es hieß – „zum Brennpunkt eines neuen Krieges in Europa“ zu machen.

Nikita Chruschtschow  (Foto: Public Domain)
Die sowjetische Führung hatte aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel übrig für ein derartiges Beistandsbündnis. Parteichef Nikita Chruschtschow nahm aber den tschechoslowakischen Vorschlag zum Anlass, einen eigenen Ostblockpakt zu initiieren – das heißt unter Moskaus Schirmherrschaft.

„Unüberwindliche Einheit unserer Brüderstaaten“

Am 13. Mai 1955 unterzeichneten in Warschau die Regierungsvorsitzenden Albaniens, Bulgariens, Ungarns, der DDR, Polens, Rumäniens, der Sowjetunion und der Tschechoslowakei den „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“. In diesem Warschauer Pakt wurde das militärpolitische Bündnis der acht Länder verankert. Der Vertrag sei ein Ausdruck des unerschütterlichen Willens, den Frieden und die Sicherheit in Europa zu gewährleisten, sagte Ministerpräsident Široký wenige Tage später in Prag:

Vertrag über Freundschaft,  Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Die nicht zu übertreffende Stärke des Dokuments liegt vor allem in der unüberwindlichen Einheit unserer Brüderstaaten, in ihren Beziehungen, der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Hilfe aufgrund des Prinzips der gleichberechtigten Stellung sowie der vollen Respektierung von Unabhängigkeit und Eigeninteressen.“

Um dem neu gegründeten Bündnis zu Bedeutung zu verhelfen, wies Široký auf die „volle Unterstützung der Volksrepublik China“ hin. In Warschau war sie durch einen hochrangigen Staatsmann als Beobachter vertreten – und dieser habe die Botschaft seiner Regierung überbracht:

Quelle: Fenn-O-maniC,  CC BY-SA 3.0
„Im Fall einer imperialistischen Aggression gegen europäische Länder würde auch das große 600 Millionen zählende chinesische Volk gemeinsam mit unseren Regierungen und Völkern bis zum siegreichen Ende kämpfen.“

Zu den Themen, mit denen sich Široký befasste, gehörte auch die sogenannte „deutsche Frage“:

„Für uns als Nachbarland Deutschlands ist von besonderer Bedeutung, dass der Warschauer Pakt einen verlässlichen Schutz gegen die Gefahr des deutschen Militarismus darstellt. Er gilt auch als ein verlässliches Instrument für eine friedliche Lösung der deutschen Frage – für die Gründung eines einheitlichen unabhängigen, friedliebenden und demokratischen deutschen Staates.“

Gegen den „deutschen Militarismus“

Jaroslav Láník  (Foto: Archiv des Militärhistorischen Instituts)
Mit der Gründung des Warschauer Pakts habe sich die politische und militärische Teilung Europas vertieft, schreibt der Prager Militärhistoriker Jaroslav Láník. Wiederholt sei auf die „deutsche Bedrohung“ verwiesen worden. Damit sei die Stationierung sowjetischer Streitkräfte in einigen Mitgliedsländern legitimiert und die absolute Abhängigkeit der Satellitenstaaten bestätigt worden, so der Historiker.

Von einem Propagandatrick spricht ein Kollege von Láník. Prokop Tomek vom Militärhistorischen Institut Prag sagte 2011 in einem Interview für den Tschechischen Rundfunk:

„Der ostdeutsche Staat, die DDR, war damals auf verdeckte Weise weit mehr militarisiert als Westdeutschland. In der DDR wurden bereits vor 1955 die Einheiten der sogenannten Kasernierten Polizei aufgebaut. In Wirklichkeit handelte es sich aber um Militärtruppen, die über eine Personalstärke von mehreren Divisionen verfügten. Die Gründung des Warschauer Paktes vergrößerte dann wesentlich den Operationsraum der Sowjet-Streitkräfte. Dies machte zugleich Planungen möglich, die Zone eines Ersteinsatzes von Atomwaffen gegen die Nato aus dem eigenen Territorium hinaus nach Westen zu verschieben. Für die wohl erste Kampflinie kamen die osteuropäischen Länder inklusive der Tschechoslowakei in Frage.“

Foto: Archiv des Militärhistorischen Instituts
Über die Gründung des Warschauer Paktes waren sich übrigens bei der Konferenz im Mai 1955 alle Länder sehr rasch einig: Nur 25 Minuten dauerten die Beratungen. Kritische Anmerkungen gab es praktisch nicht zu dem, was der tschechoslowakische Ministerpräsident Viliam Široký als „eines der bedeutendsten Dokumente in der Geschichte unserer Völker“ bezeichnete. Ebenso reibungslos verlief die Ratifizierung durch das Parlament in Prag.

Anders als die Nato überdauerte der Warschauer Pakt aber nicht den politischen Wandel in Mittel- und Osteuropa. Am 31. März 1991 wurden die militärischen Strukturen des Bündnisses aufgelöst. Die Tschechoslowakei stellte jedoch den Antrag, das Bündnis vollständig zu beenden. Das geschah am 1. Juli des Jahres in Prag. Damit hörte der Warschauer Pakt nach 36 Jahren auf zu existieren.