„Der gesündeste Sauerbrunn“ – Geschichte der Kurstadt Luhačovice,Teil I

Luhačovice (Foto: Archiv des Museums Südostmährens in Zlín)

Sommerzeit, Reisezeit: Manch einen zieht es dann zu einem Kur- und Wellnessaufenthalt. Von den tschechischen Kurbädern sind Karlovy Vary / Karlsbad, Mariánské Lázně / Marienbad und Františkovy Lázně / Franzensbad die bekanntesten – und das wohl auch im Ausland bestimmt. Traditionsreich ist aber auch Luhačovice, das viertgrößte Kurbad Tschechiens und das größte in Mähren. In zwei Folgen schildern wir Ihnen die Geschichte von Luhačovice.

Mineralquelle Vincenz  (Foto: Tomáš Páv,  Public Domain)
„Vincenz – der kräftigste, gesündeste Sauerbrunn“– so wurde in der Habsburger Monarchie das Wasser der bekanntesten Mineralquelle in Luhačovice beworben. Entdeckt wurden diese und eine weitere Mineralquellen schon im 17. Jahrhundert. Beide blieben allerdings fast 100 Jahre unbeachtet. Allein die Einheimischen nutzten das Wasser – außer zum Trinken auch für die Herstellung von Knödelteig.

Luhačovice ist eine kleine Ortschaft am Fuß der Weißen Karpaten. Ab 1629 befand sie sich im Besitz der aus Ungarn stammenden Adelsfamilie Serenyi, die sich schon früher in Böhmen und Mähren niedergelassen hatte. In den 1730er Jahren begann Graf Wolfgang Serenyi die dortige Renaissance-Festung in ein Barockschloss umzubauen, er wollte dorthin übersiedeln. Das war der ausschlaggebende Moment für die Entstehung des Kurorts. Blanka Petráková leitet das Regionalmuseum in Luhačovice und hat eine Ausstellung kuratiert, die weit in die Geschichte des Ortes zurückblickt.

„Der Beginn des Kurwesens in Luhačovice ist verknüpft mit dem Mediziner Johann Ferdinand Hertodt aus dem südmährischen Brünn. Er war der erste, der die Mineralstoffe im hiesigen Wasser chemisch analysiert hat. Seine Ergebnisse publizierte er 1669 in einer lateinisch verfassten Schrift mit dem Titel „Tartaro Mastix Moraviae“, auf Deutsch ungefähr „Die mährische Peitsche gegen Ablagerungen im Körper“. Die Menschen aus der Region wussten allerdings schon wesentlich früher um das Mineralwasser. Doch dies war der erste seriöse Versuch, es wissenschaftlich zu analysieren und seine Heilwirkung zu erforschen.“

Tut gut bei Kopfschmerzen und Milzbeschwerden

Zugleich war es ein Impuls für Wolfgang Serenyi, der im Mineralwasser von Luhačovice das unternehmerische Potential erkannte. Er ließ die zwei bekannten Quellen aufbereiten, erst etwas später wurden sie nach den männlichen Angehörigen der Familie benannt: Vincenz und Amand. Besonders der sogenannte Vincenz-Säuerling ist im Lauf der Zeit zu einem Symbol von Luhačovice geworden. Hertodts schreibt dazu:

„Das Wasser hilft bei verdorbenem Magen, indem es den angehäuften Schleim entfernt. Dem göttlichen Hippokrates zufolge ist es bestimmt auch verdauungsförderndes Wasser. Es macht die Menschen hungrig. Ebenso tut es gut bei anhaltenden Kopfschmerzen oder Milzbeschwerden.“

Herodt empfahl das mährische Mineralwasser auch bei Hysterie, weiblicher Unfruchtbarkeit und zur Vorbeugung vor mehreren Krankheiten. Also im Sinne des Titels seiner Abhandlung „Mährische Peitsche gegen Ablagerungen im Körper“. Erst mit der Zeit erhielt das Mineralwasser auch im Rest des Landes einen guten Ruf. Es wurde nun auch andernorts in der Habsburger Monarchie verkauft. Blanka Petráková:

„Gesundbrunnen in der Österreichischen Monarchie“
„Das Wasser bewährte sich als wirkungsvolles Mittel zur – wie es hieß – ‚Herbeiführung des Gleichgewichts bei Verdauungsbeschwerden‘. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass Alkohol und Kaffee immer mehr Einzug hielten in die Trinkkultur. Denn das Mineralwasser wirkte positiv zum Beispiel gegen den Kater oder das Sodbrennen. Besonders gefragt war es in Ungarns Weinstuben und Gastwirtschaften.“

Ungefähr 100 Jahre nach der Herausgabe von Hertodts Abhandlung erhielt das Luhačovicer Kurwesen einen weiteren Impuls. 1777 erschien in Wien eine Abhandlung des Mediziners und Botanikers Heinrich Crantz zu den „Gesundbrunnen in der Österreichischen Monarchie“.

„Er sprach dem Mineralwasser von Luhačovice ein großes Lob aus. Im Vergleich zum damals bekanntesten Mineralwasser der Monarchie – dem ‚Selterswasser‘ – bezeichnete er die Wirkung des mährischen Mineralwassers als dreimal so hoch. Für die besser situierte Klientel aus Wien war dies ein Signal, Luhačovice zu besuchen. Zugleich war es auch ein Impuls für den damaligen Besitzer Vincenz Serenyi, sich besser um den Ausbau des Ortes sowie Instandhaltung der Mineralquellen zu kümmern. In ihrer Nähe entstanden dann die ersten Kurhäuser. Dort konnten die Gäste außer einer Trinkkur auch Kohlensäurebäder nehmen“, so Petráková.

Glockengeläut zum Start der Heilprozeduren

Wolfgang Serenyi
Außerdem wurde für den Zeitvertreib der Gäste gesorgt, mit einem Gasthaus und einem Kegelhaus. Ein Problem war jedoch, dass es nur einfache Unterkünfte in den umliegenden Mühlhäusern gab. Deswegen wurden neue Herbergen gebaut werden. In den 1820er Jahren standen dann bereits rund 50 Zimmer zur Verfügung. Jährlich kamen etwa 1000 Gäste.

Zur Geschichte des Kurorts gehört auch die Barockkapelle der hl. Elisabeth von Ungarn. Wahrscheinlich ließ Wolfgang Serenyi sie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbauen und damit zeitgleich zu den Arbeiten an der Luhačovicer Festung. Geweiht wurde sie jedoch erst 1794 von Serenyis Enkelsohn, der ein hoher Würdenträger der katholischen Kirche in Olomouc / Olmütz war. Die Kapelle war und ist bis heute in einer spezifischen Weise mit dem Alltag im Kurort verbunden. Kuratorin Petráková:

Kapelle der hl. Elisabeth von Ungarn
„Im kleinen Turm der Kapelle befand sich eine Glocke, die seit dem 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts jeden Morgen um sechs Uhr läutete. Damit begannen die Heilprozeduren, die abends um 18. Uhr wieder mit Geläut beendet wurden. Anschließend konnten sich die Kurgäste ihren gesellschaftlichen Aktivitäten zuwenden. 1914 wurde jedoch diese kleine Glocke wie viele größere und bedeutendere auch für den Kriegsbedarf eingeschmolzen. Erst zum 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs erhielt der Kapellenturm eine neue Glocke. Seitdem kündigt sie wieder morgens und abends den Beginn beziehungsweise das Ende der Heilprozeduren an.“

Im Jahr 1800 wurde Johann Sonnenberg erster offizieller Kurarzt von Luhačovice. In seiner Funktion half er dabei, die wichtigsten Heilmethoden festzulegen. Hierzu gehörten in erster Linie das warme Mineralwasserbad und die Trinkkur. Im Lauf der Zeit wurde das Angebot ausgeweitet.

Luhačovice
„Etlichen Dokumenten von Anfang des 19. Jahrhunderts ist zu entnehmen, dass im Vergleich zu heute zehnmal mehr Krankheiten behandelt wurden. Meist handelte es sich um Frauenkrankheiten. Die Palette der Heilmethoden war nicht nur breit, sondern in einigen Fällen recht originell. Ab 1833 wurde zum Beispiel auch das traditionelle slowakische Getränk ‚žinčica‘, hergestellt aus der Schafsmilch, verabreicht. Es war in fast allen mährischen Kurorten sehr populär. In Luhačovice wurde zudem mitten auf dem Zentralplatz ein Stall für Kühe des sogenannten Montafoner Braunviehs gebaut. Ihre Milch wurde bei lauwarmer Temperatur auf Empfehlung hiesiger Mediziner mit Mineralwasser vermischt und Patienten mit Verdauungsproblemen gegeben. Die Milch sollte die negativen Wirkungen des hohen Kohlendioxid-Gehalts im Mineralwasser mindern.“

Moderne Inhalationstherapie

Dušan Jurkovič  (Foto: Archiv des Museums Südostmährens in Zlín)
Auf diese Trinkkur wurde Anfang des 20. Jahrhunderts verzichtet. Die Mediziner kamen und gingen, und mit ihnen änderten sich auch die Heilmethoden. In Luhačovice spezialisierte man sich nach und nach auf die Krankheiten der oberen und unteren Atemwege, sagt Blanka Petráková:

„Das begann im Jahr 1903. Der bekannte Architekt slowakischer Herkunft Dušan Jurkovič baute hier einen kleinen Pavillon für eine Inhalationstherapie. Bald aber reichten die Kapazitäten dieses Inhalatoriums nicht mehr aus, und es musste abgerissen werden. An seiner Stelle stand 20 Jahre später ein wesentlich größeres Gebäude, das bis heute seinen Zwecken dient. Damals galt es europaweit als das modernste Kurhaus seiner Art. Es verfügte unter anderem über eine große Druckkammer – die sogenannte pneumatische Kammer. Der Einsatz von Inhalationsgeräten war gegenüber dem Beginn des Jahrhunderts schon deutlich ausgefeilter. Gerade dank dem damaligen Fortschritt profilierte sich Luhačovice nach und nach als Kurort, den heutzutage hauptsächlich Patienten mit chronischer Bronchitis, Asthma und anderen Atemwegserkrankungen aufsuchen.“

Luhačovice  (Foto: Archiv des Museums Südostmährens in Zlín)
Luhačovice war bis 1918 ein mährischer Kurort in der Vielvölkermonarchie Österreich-Ungarn. National gemischt war auch seine Klientel. Den höchsten Anteil hatten deutschsprachige Österreicher. Laut Museumsleiterin Petráková gehörten dazu auch viele jüdische Kurgäste:

„Schon ab Ende des 18. Jahrhunderts wurde Luhačovice oft von jüdischen Patienten aufgesucht. Damals stammten sie vor allem aus dem Wien beziehungsweise aus Budapest und Umgebung sowie aus der Slowakei. Ihr Aufenthalt richtete sich nach strengen Regeln. Wichtig war unter anderem, dass sie von jüdischen Ärzten behandelt wurden. Deswegen standen das ganze 19. Jahrhundert hindurch den Patienten je ein deutscher und ein jüdischer Arzt zur Verfügung. Da die 1918 gegründete Tschechoslowakei auch das Gebiet der sogenannten Karpathoukraine umfasste, kamen auch sehr viele Juden von dort und aus Galizien nach Luhačovice zur Kur.“

Blanka Petráková  (Foto: YouTube)
Daran änderte sich im Grunde genommen nichts bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Noch vor der Entstehung der Tschechoslowakei wechselten aber die Eigentümer des Kurbades. 1902 verkaufte die Adelsfamilie Serenyi ihren Besitz, und zwar an eine neu gegründete Aktiengesellschaft tschechischer Ärzte. Auf Luhačovice wartete dann in mancher Hinsicht ein neuer Aufschwung.


Der zweite Teil der Geschichte des Kurbades Luhačovice erscheint in einer Woche.

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