Der geplante Kriegsgräberfriedhof in Prag

Deutscher evangelischer Friedhof

Sollten Sie einmal in Prag sein und weniger touristische Orte besuchen wollen, dann könnten Sie das Prager Friedhofsviertel am Ende der Vinohradska-Strasse an der Grenze der beiden Stadtteile Vinohrady und Strasnice besuchen. Hier befinden sich fünf Friedhöfe.

Sollten Sie einmal in Prag sein und weniger touristische Orte besuchen wollen, dann könnten Sie das Prager Friedhofsviertel am Ende der Vinohradska-Strasse an der Grenze der beiden Stadtteile Vinohrady und Strasnice besuchen. Hier befinden sich fünf Friedhöfe. Der grösste, der Olsaner, wurde Ende des 17. Jahrhunderts als Pestfriedhof vor den Toren der Stadt angelegt. An ihn grenzt der neue jüdische Friedhof, auf dem unter anderem Franz Kafka begraben liegt. Auf dem daneben liegenden Friedhof sind unter anderem Gräber von sowjetischen und allierten Soldaten, die 1945 bei der Befreiung der Tschechoslowakei gefallen sind. Ein Stückchen weiter schliesslich liegt der Weinberger Friedhof mit dem grössten und bekanntesten Prager Krematorium. Diesem gegenüber schliesslich befindet sich ein ehemals deutscher evangelischer Friedhof, der seit 1945 verwildert. Auf diesem sind nicht nur deutsche Professoren und Politiker begraben, sondern sozusagen auch der Stein des Anstosses: denn hier soll im nächsten Jahr eine deutsche Kriegsgräberstätte entstehen. Nicht alle Prager sind von dieser Idee begeistert.

Das Protektorat Böhmen und Mähren blieb während des Zweiten Weltkriegs weitgehend von grossen Kampfhandlungen verschont. Erst in den letzten Kriegsmonaten, als die Böhmischen Länder von Westen und Osten her befreit wurden, kam es auch hier zu Gefechten. Wieviele deutsche Soldaten auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik gefallen sind, ist allerdings laut Burkhard Nipper, Generalsekretär des Volksbund Deutsche Krieggräberfürsorge, heute schwer festzustellen:

"Die Zahlen sind nicht ganz genau, auch bei der deutschen Dienststelle in Berlin, mit der wir zusammenarbeiten. Die Grössenordnungen schwanken zwischen 120.000 bis 170.000 Kriegstote. die sind auch bisher nicht alle erfasst. Man wird auch gar nicht mehr alle erfassen können."

Zur Zeit des Kalten Krieges war an eine Anlage deutscher Kriegsgräberstätten in sozialistischen Ländern nicht zu denken, doch seit Anfang der 90er Jahre ist der Volksbund auch in den Böhmischen Ländern aktiv. 10 Kriegsgräberanlagen gibt es bereits in der Tschechischen Republik, die erste wurde im Mai 1991 im westböhmischen Rakovnik eingeweiht. Die geplante Stätte in Prag soll die letzte hierzulande sein. Über den Beginn der Planungen erklärt Burkhard Nipper vom Volksbund folgendes:

"Wir haben im letzten Jahr einen Vertrag mit dem Oberbürgermeister von Prag in Anwesenheit des deutschen Botschafters abschliessen können, in dem uns das Gelände in Vinohrady auf Vorschlag der Prager Seite zugewiesen wurde und der vorsieht, dass hier eines Tages deutsche Kriegsgräber angelegt werden sollen. Wir sind z.Z. in der Baugenehmigungsphase für die Herrichtung des Friedhofs."

Nicht jeder ist allerdings von der Idee begeistert, dass in Prag eine grosse deutsche Kriegsgräberanlage entstehen soll. Insbesondere Überlebende des Holocausts, ehemalige KZ-Häftlinge und Angehörige von Nazi-Opfern äusserten ihre Kritik. Sarka Helmichova, Sprecherin des Tschechischen Bundes der Freiheitskämpfer fasst diese Meinungen zusammen:

"Etwa vor einem Jahr haben wir eine Erklärung veröffentlicht, dass wir gegen die Einrichtung des deutschen Soldatenfriedhofs sind. Unserer Meinung nach sollten keine Toten umgebettet werden, sondern die Gräber dort, wo sie jetzt sind, gepflegt werden. Die Anlage eines Sammelfriedhofs, noch dazu im Zentrum von Prag, lehnen wir ab. Ausserdem erregt diese Aktion völlig überflüssigerweise die Gemüter. Hierzulande leben noch über 20.000 aktive Widerstandskämpfer und die finden sich mit diesem Vorhaben nur schwer ab."

Zu dieser Kritik kommt die Lage der geplanten Kriegsgräberstätte: genau auf der anderen Strassenseite befindet sich eine kleine Gedenkstätte für Faschismusopfer. Hier wurde während der Okkupation heimlich die Asche von über 2000 Hingerichteten verstreut, unter anderem auch von einigen Männern aus Lidice, die in einem Prager Gefängnis erschossen wurden. In unmittelbarer Nähe der geplanten Anlage liegt das als Hagibor bezeichnete Gelände, das bis 1938 im Besitz der jüdischen Gemeinde war. Während der Okkupation war der Hagibor eine der Sammelstellen, von denen aus Juden in Konzentrationslager deportiert wurden. Bis heute erinnert allerdings keine Gedenkstätte oder -tafel an dieses düstere Kapitel der deutsch-tschechischen Geschichte. Sarka Helmichova vom Tschechischen Bund der Freiheitskämpfer führt ein weiteres Argument gegen die geplante deutsche Kriegsgräberanlage an. Auf dem ehemals deutschen Friedhof sollen tschechische Kinder begraben sein, die während der Okkupation zur "Germanisierung" in deutsche Kinderheime gesteckt wurden:

"Viele der Kinder, die verfolgte, tschechische Mütter während der Okkupation zur Welt gebracht haben, wurden ihnen weggenommen und in deutsche Kinderheime gebracht. Ihre Namen wurden geändert, aber nach dem Krieg haben ihre Eltern sie trotzdem aufgespürt. Hier liegen auch einige tschechische Kinder, wenn auch mit deutschem Namen."

Unter anderem soll hier auch die Tochter einer Lidicer Frau begraben sein. Kurz nach der Vernichtung von Lidice im Juni 1942 brachte Anna Nesporova-Horakova im Prager Gestapo-Krankenhaus eine Tochter zur Welt. Diese wurde ihr kurz nach der Geburt weggenommen - Frau Nesporova-Horakova sah sie nie wieder. Heute ist sie eine derjenigen, die entschieden gegen die geplante Kriegsgräberanlage auftritt.

Ist der ehemalige deutsche evangelische Friedhof in Prag- Strasnice wirklich der ideale Ort für deutsche Kriegsgräber? Dazu noch einmal Burkhard Nipper vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge:

"Es mag sein, dass es immer mal vereinzelte Proteststimmen gibt, die sind uns bisher hier so detailiert garnicht bekanntgeworden. Da das Gelände, wie ich erwähnte, ein Vorschlag von der tschechischen Seite ist, haben wir jetzt keinen Anlass, hier von der Planung abzurücken. Wir glauben aber auch, dass wir auch in so einer Umgebung durchaus eine solche Kriegsgräberstätte anlegen können, denn wir wollen hier ja erinnern und gedenken an die gemeinsame Geschichte und hier auch zukünftig junge Menschen aus Deutschland und der Tschechischen Republik zusammenführen, damit sie gemeinsam die Geschichte aufarbeiten und das kann man auch sehr gut, wenn auch andere Gedenkstätten im Umfeld sind, die man dann gemeinsam besuchen und vielliecht auch gemeinsamen pflegen kann. "

Wer soll eigentlich auf dem geplanten Friedhof bestattet werden?

"Nun, in Prag hat es ja glücklicherweise wenig Kriegskampfhandlungen gegeben. Es war während des Kriegs Lazarettstadt, also gibt es dort viele Lazaretttote und sonstige Tote, die im Umfeld im Zusammenhang mit dem Kriegsende umgekommen sind."

Viele der toten Wehrmachtsoldaten waren bisher an verschiedensten Orten in und um Prag provisorisch bestattet, immer wieder stiess man auch bei Strassen- oder anderem Bauarbeiten auf Kriegstote. Die sterblichen Überreste all dieser in und um Prag gefallenen Soldaten werden derzeit z.T. provisorisch in Depots gelagert und warten seit langem auf einen würdigeren Ort der letzten Ruhe.

Angesichts der Proteststimmen gegen die geplante Kriegsgräberanlage in Prag und der schlechten Schlagzeilen, für die die tschechisch-deutschen Beziehungen in den letzten Monaten sorgten, könnte man annehmen, dass die Arbeit des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsoge in Tschechien auf Probleme stösst und die bereits bestehenden 10 Kriegsgräberstätten Ziel von Vandalismus sein könnten. Laut dem Geschäftsführer des Volksbundes, Burkhard Nipper, ist das Gegenteil der Fall.

"Sogar in Westeuropa kann es mal Vandalismusschäden geben, die hat es in der Tschechischen Republik bisher nicht gegeben. ... Dass es in einem demokratischen Staat auch Gegenstimmen gibt, ist völlig natürlich."

Und damit sind wir bereits am Ende des heutigen Geschichtskapitels über die geplante deutsche Kriegsgräberstätte in Prag. Auf Wiederhören in zwei Wochen sagt KB.