Das „Wunder von Číhošť“ und die Ermordung des Pfarrers Toufar
Unter den Persönlichkeiten, die am diesjährigen Staatsfeiertag am 28. Oktober der Staatspräsident Miloš Zeman ausgezeichnet hatte, war auch Josef Toufar. Dieser katholische Priester wurde 1950 von der kommunistischen Staatspolizei (STB) zu Tode gequält, weil er angeblich in seiner Kirche ein „Wunder“ inszeniert haben sollte. Das Ereignis gilt als eine der brutalsten Aktionen des sozialistischen Regimes gegen die katholische Kirche.
„Die Staatspolizei begann Toufar zu verhören, aber auch nach drei Monaten hatte sie nichts Konkretes in der Hand. Toufar bekannte sich nicht, und Beweise gab es keine. Auch andere Menschen aus Číhošť wurden verhört, ebenfalls erfolglos. Dann kam aus den obersten politischen Stellen der Befehl, den Fall schnell abzuschließen und den Pfarrer mit allen Mitteln zum Geständnis zu zwingen. Das Regime beschloss, einen Prozess gegen ihn zu inszenieren. Damit wollte man der Öffentlichkeit demonstrieren, wie schäbig die Katholiken seien.“
Bestandteil dieses Prozesses sollte auch ein „dokumentarischer“ Film sein, in dem Toufar selbst zeigen würde, wie er das Kreuz in Bewegung gesetzt hatte. Nach dem Glauben der Anklage sollte er einen komplizierten Mechanismus konstruiert und während der Messe an Schnürchen gezogen haben. Die Ermittlungen liefen aber nicht nach Plan. Trotz der brutalen Schläge lehnte es Toufar weiter ab, das geforderte Bekenntnis zu liefern. Bei den Filmaufnahmen in der Kirche von Číhošť war der Pfarrer bereits so geschwächt, dass er nicht mehr auf den eigenen Beinen stehen konnte. Ein Polizist streifte sich daher Toufars Priestergewand über und spielte den Pfarrer. Ein paar Tage später, am 25. Februar 1950, unterlag Josef Toufar den Misshandlungen. Sein Körper wurde in ein Massengrab auf einem Prager Friedhof geworfen, wo auch andere Opfer des kommunistischen Regimes verscharrt wurden. Zum Gerichtsprozess kam es also nicht, aber der Film lief trotzdem in allen Kinos der Tschechoslowakei. Nur in Číhošť und Umgebung konnte er nicht gezeigt werden. Die Menschen hätten gesehen, dass der Priester im Film nicht Toufar war. Das Scheitern des Plans verstimmte die kommunistischen Spitzen. Chefermittler Ladislav Mácha wurde entlassen und kam später wegen einer anderen Sache für zwei Jahre in Haft. Miloš Doležal hat mit ihm bei der Recherche zu seinem Buch gesprochen:„Als ich ihn fragte, ob er etwas in seinem Leben bedauern würde, antwortete er anmaßend: ´Vielleicht nur, dass ich zu viel im Büro gearbeitet habe.‘ Und dann fügte er hinzu: ‚Ich hätte jene, gegen die ich ermittelt habe, noch mehr schlagen sollen.‘ Mácha hat die kommunistische Ideologie wirklich gelebt, er hat mit Leib und Seele den Klassenkampf ausgefochten. Er und andere Kommunisten waren Atheisten, für die es keine Metaphysik gab. Für sie war nur eine Erklärung möglich gewesen: Toufar musste das Kreuz selbst bewegt haben. Der Pfarrer widersprach aber und machte nicht mit. Das brachte die Ermittler zur Weißglut. Sie haben ihn von morgens bis abends geschlagen.“
Bleibt noch die Frage, wodurch die Bewegung des kleinen Kreuzes tatsächlich entstanden ist. Hat wirklich Pfarrer Toufar selbst etwas gemacht, um seine Worte mit einer übersinnlichen Erscheinung zu unterstreichen? Handelte es sich vielleicht um eine Provokation der Staatspolizei, um den beliebten Pfarrer beseitigen zu können? Oder unterlagen die Dorfbewohner sogar einer kollektiven Suggestion? Der Fall wurde schon 1968 untersucht, also zur Zeit des „Prager Frühlings“. Journalisten befragten damals die Zeugen noch einmal ausführlich, und die Justiz versuchte Toufars Mörder vor Gericht stellen. Die Frage, was eigentlich damals in Číhošť wirklich geschah, blieb aber offen. Miloš Doležal hat dennoch eine Antwort:„Ich dachte viele Jahre lang, dass es sich um eine Provokation der StB gehandelt haben müsse. Dafür sprachen viele Indizien. Aber im vergangenen Jahr, als ich erneut und gründlich das Leben von Josef Toufar erforschte, mit etwa zehn noch lebenden Zeitzeugen sprach und auch die Protokolle der Staatspolizei las, kam ich zum Schluss, dass es eine wirklich unerklärliche Erscheinung gewesen sein muss. Die Techniker der StB bekannten nämlich, dass es ihnen nicht gelungen sei, eine sinnvolle Mechanik für die Bewegung des Kreuzes zu erfinden. Man sollte daran denken, dass die Kirche in Číhošť sehr klein ist, man sieht dort dem Pfarrer wortwörtlich auf die Hände. Wenn jemand an einigen Schnürchen zieht, wäre das sofort zu erkennen. Erst in ihrer Werkstatt in Prag konstruierten die Techniker eine Vorrichtung, die im Film einigermaßen funktionierte.“Die katholische Kirche möchte Josef Toufar heiligsprechen. Daher wurden seine Überreste exhumiert, um sie identifizieren zu können. Vor allem ist aber geplant, den Pfarrer endlich in Würde zu begraben.