Ende des Zweiten Weltkriegs: Kommentare und Überlegungen

Prager Aufstand

Das Ende des Zweiten Weltkriegs in den Sendungen von Radio Prag und die Hörerkommentare dazu. Nach zwei Wochen haben in der Post geblättert.

Foto: Stuart Miles,  FreeDigitalPhotos.net
Hallo und herzlich willkommen zum Hörerforum! Vielen Dank für Ihre Briefe, Postkarten und E-Mails! Auch heute wollen wir daraus zitieren. Ein Thema dominiert die heutige Sendung, und zwar die Geschichte, genauer das Geschehen des Frühlings 1945. Mehrere Ihrer Zuschriften haben sich mit unseren Sendungen von Anfang Mai beschäftigt, als wir über die Ereignisse vor 70 Jahren, über das Kriegsende und die Befreiung Europas und der Tschechoslowakei vom Nationalsozialismus berichtet hatten. Und auch der Umgang mit der Geschichte und die Interpretation historischer Ereignisse sind ein Thema, das sie sehr interessiert. Fritz Andorf aus Meckenheim merkt dazu an:

Prager Aufstand
„In den Sendungen wurde unter anderem der Prager Aufstand von 1945 thematisiert, ein trauriges Kapitel der deutsch-tschechischen Geschichte. Beschämend finde ich es hingegen, dass diese Erhebung in kommunistischer Zeit propagandistisch als Aufstand von Kommunisten umgedeutet wurde.“

Klaus Nindel aus Dresden stellt eine Frage:

„In Ihrem Beitrag über das Kriegsende 1945 habe ich (für mich neu) erfahren, dass sich Prag damals selbst befreit hat. Und es war ja eine Ironie der Geschichte, dass sich dann später der Anführer des Aufstandes (Karel Kutlvašr) und der damalige deutsche Stadtkommandant (General Touissant) im tschechischen Gefängnis wiedergetroffen haben. Laut ‚Spiegel‘ soll ja Touissant während seiner Gefängniszeit hunderte Ölgemälde für tschechische Behörden gemalt haben. Ob diese noch immer dort hängen?“

Ein Bild von Rudolf Toussaint  (Foto: Archiv des Gefängnisdienstes der Tschechischen Republik)
Diese Information wurde auch in tschechischen Medien bestätigt. Vor vier Jahren wurde darüber berichtet, dass die Bilder zusammengetragen und der Maler identifiziert wurde. Bis dahin sollen sie in Büros gehangen und in Lagern gelegen haben, ohne dass man gewusst hätte, wer sie gemalt hatte. Dies hat Aleš Kýr von der Stelle für Dokumentation und Geschichte des Gefängnisdienstes 2011 gegenüber idnes.cz gesagt. Die neuentdeckten Gemälde wurden 2011 im Gefängnis in Pilsen-Bory ausgestellt. Aber nicht die breite Öffentlichkeit konnte sie sehen, sondern nur Angestellte und Gäste der Anstalt, da die Bilder in einem Sitzungsraum hingen, der nicht zugänglich war. Laut Kýr ist der künstlerische Wert der Gemälde gering, der historische Wert und der Sammlerwert aber ziemlich hoch.

Bombardierung Pilsen  (Foto: ČT24)
Soweit unsere Antwort auf die Frage von Herrn Nindel. Unser Hörer Lutz Winkler aus Schmitten im Taunus nennt in seinem Brief vom Mai zunächst die Berichte von Radio Prag, die ihm besonders gefallen haben:

„Mit großem Interesse habe ich die Sendungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs gehört – so über die Zerstörung und Befreiung der Stadt Pilsen. Ebenso über die Verwüstungen und Morde in den besetzten Gebieten Tschechiens und der Slowakei sowie über die auch nicht gerade rühmliche Geschichte nach dem Weltkrieg. Neu war für mich das ‚Regierungsprogramm von Košice‘, wobei ich immer davon ausgegangen war, dass die damalige sowjetische Armee die Macht nach dem Krieg erst einmal übernommen hatte, und eine Souveränität der Staaten erst Jahre nach dem Kriegsende zustande kam.“

Besetzung Berlins durch die Rote Armee vor 70 Jahren  (Foto: Bundesarchiv,  Bild 183-R77767 / CC-BY-SA)
Doch habe der Monat Mai in diesem Jahr auch eine ganz besondere Bedeutung, stellt Herr Winkler fest und schließt eine Überlegung an:

„Deutschland wurde vor 70 Jahren vom Faschismus befreit. Ein ganz besonderer Monat dieses Jahr: Die Massenvernichtung und Unterdrückung, die Menschenverachtung und der sinnlose Krieg haben vor 70 Jahren ein Ende gefunden. Niemand will so etwas noch einmal erleben. Meine Eltern waren Deutsche und sind auch im Naziregime groß geworden. Mein Vater wurde vor 70 Jahren, in den letzten Kriegstagen, noch verwundet und wäre daran fast gestorben. Ich erinnere mich noch an seine Schusswunde an der Schulter. Dies war alles sinnlos. Umso erschreckender finde ich das Leugnen und das Heroisieren faschistischer Werte. Manchmal denke ich, dass Menschen wohl einmal eine Diktatur erlebt haben müssen, um zu verstehen, was dies bedeutet. Und ich verstehe auch nicht, wie es heißen kann: Die Nazis waren Schuld am Krieg. Nein, es waren die Deutschen und die vielen Mitläufer, die auch nach dem Kriegsende immer noch in einflussreichen politischen Positionen saßen – und die heute noch in diesem Land auf dem rechten Auge blind sind. Und es waren die Russen, die Amerikaner, die Briten, Franzosen und Kanadier, die Deutschland von dieser Geisel befreit haben. Und so sollten wir auch in unseren Formulierungen aufpassen, dass wir nicht die Geschichte verfälschen. Wir erleben in Deutschland das 71. Jahr in Frieden, und ich bin froh darüber, auch wenn die Bilder aus dem Osten der Ukraine wieder die Bilder der sinnlosen Zerstörung zeigen. Kleine Kriegsfürsten und Möchtegernmachthaber werden gesteuert von den Mächtigen – es wird alles zerstört, was gerade noch funktioniert hat. Und Europa ist nicht in der Lage, dieses sinnlose Zerstören zu beenden.“

Brünner Todesmarsch  (Foto: Archiv Post Bellum)
Soweit der Kommentar von Lutz Winkler. In die Zeit vor 70 Jahren blickt auch Joachim Thiel aus Wuppertal zurück, er macht sich Gedanken über den heutigen Umgang mit der Geschichte. Konkret geht es um unseren Bericht darüber, dass die Stadt Brno / Brünn ihr Bedauern über den Brünner Todesmarsch ausgedrückt hat:

„Wie ich aus dem Bericht über Brünn hörte, waren doch viele der Abgeordneten gegen die neue Deklaration, was ich sehr schade finde. Die heutige Generation kann nichts an der Geschichte von vor 70 Jahren ändern und auch nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Man sollte endlich, so meine ich, die Vergangenheit ruhen lassen und zwar in der Form, dass man sich daran erinnert, jedoch nicht die heutigen Menschen, egal welcher Staatsbürgerschaft, dafür verantwortlich machen will.“

Gernot Klein bedankt sich für den Artikel über Brünn und bemerkt dazu:

Richard von Weizäcker: Wer seine Geschichte nicht kennt, ist dazu verdammt, sie nochmals zu durchleben.

„Ich bewundere den Mut der Oberen der Stadt Brünn. Sehr sauer stößt mir jedoch die Aussage des Kreishauptmannes auf. Weiß der Herr eigentlich, was er sagt? Wie fände er es, wenn sich die deutsche Regierung hinstellen würde und die Okkupation der Tschechoslowakei und die damals durch Deutsche begangenen Verbrechen lapidar mit den Worten ‚Nun, es waren andere Zeiten…‘ kommentieren würde. Mit gutem Recht gäbe es einen Aufschrei des Protestes. Es ist für kommende Generationen wichtig, dass unsere jüngste Geschichte komplett aufgearbeitet wird. Der kürzlich verstorbene deutsche Altbundespräsident Richard von Weizäcker hat es in dem Satz zusammengefasst: ‚Wer seine Geschichte nicht kennt, ist dazu verdammt, sie nochmals zu durchleben.‘ Ich wünsche den Tschechen den Mut, dieses Kapitel Ihrer Geschichte aufzuarbeiten und die nötigen Lehren daraus zu ziehen.“

Foto: Karen Arnold,  PublicDomainPictures.net
Und das war’s für heute. Wir bedanken uns für alle Zuschriften, bitte schreiben Sie uns weiter. Unsere Adresse lautet: Radio Prag, Vinohradská 12, 120 99 Prag 2, Tschechische Republik. Und per E-Mail: [email protected]. Alles Gute und auf Wiederhören in zwei Wochen!