Schildbürgertauziehen um die tschechische Gesundheitspolitik

„Rein in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln“. „Hüh oder Hott?“ Wer kennt sie nicht, diese Aussprüche über Leute, die oft nicht so recht wissen, was sie eigentlich wollen. Eine Zustandsbeschreibung, wie man sie immer wieder auch auf einigen Feldern der tschechischen Politik beobachten kann.

Foto: Kristýna Maková
Absoluter Spitzenreiter ist hier die Gesundheitspolitik. Oder sagen wir es noch konkreter: die Gesundheitsreform bzw. das, was von ihr noch übrig ist. Rekapitulieren wir zunächst: Zu Beginn des Jahres 2008 hat die inzwischen abgewählte Mitte-Rechts-Regierung so genannte Regulierungsgebühren durchgesetzt, nach denen alle Patienten ab sofort 30 Kronen für einen Arztbesuch oder ein Rezept, 60 Kronen für den täglichen Aufenthalt im Krankenhaus sowie 90 Kronen für die Inanspruchnahme des Notdienstes zu zahlen haben. Die Begründung: die auf staatliche Gelder angewiesenen Krankenkassen können die weitgehend kostenlose Rundumbetreuung der Bevölkerung nicht mehr tragen. Außerdem könne zum Beispiel die Rezeptgebühr dafür sorgen, dass viele Patienten nicht mehr so verschwenderisch mit Medikamenten umgehen wie bisher.

David Rath  (Foto: ČTK)
Soweit, so gut und im Prinzip richtig. Doch die Nebenwirkungen blieben nicht aus. Dafür, dass ein Spray den Schnupfen ihrer Kinder lindert oder der Arzt ein schreckliches Bauchweh behandelt, mussten tschechische Eltern nun ständig in die Familienkasse greifen. Und Rentner mussten ihr oft schon karges Budget weiter portionieren – quasi als kleines „Dankeschön“ dafür, die meiste Zeit ihres Lebens gesundheitsintensiv geschuftet zu haben.

Dass dies auf breiten Unmut stieß, ist kaum überraschend. Unmut, den sich die oppositionellen Sozialdemokraten als Wahlkampfthema zunutze machten. Mit großem Erfolg, denn aus den Kreiswahlen im vorigen Herbst gingen sie als triumphale Sieger hervor. Unter anderem dank des Versprechens, die Gebühren im Gesundheitswesen wieder abzuschaffen. Ein Versprechen, dass man ohne parlamentarische Mehrheit aber kaum halten kann. Also wurde die regionale Anarchie ausgerufen. Die Sozialdemokraten umgingen das Gesetz, indem sie den Patienten in 13 Kreisen die Rezeptgebühren auf unterschiedliche Weise zurückerstatten ließen. Allerdings nur für Ausgaben in kreiseigenen Krankenhaus-Apotheken. Ein klarer Wettbewerbsverstoß, sagten Gerichte, die den Klagen privater Apotheken-Betreiber mehrfach stattgaben und die Rückerstattung zurückpfiffen.

Der Kleinkrieg um die Regulierungsgebühren aber sollte eigentlich längst beendet sein. Im Februar hatte man sich im Parlament darauf geeinigt, kranken Kindern und Rentnern die Gebühren ab April wieder zu erlassen. Doch nun ließ der mittelböhmische Kreishauptmann David Rath Schilder aufstellen, die eine Richterin anprangern, die die Rückerstattung der Gebühren zu Fall gebracht hat – Veröffentlichung ihrer Telefonnummer inklusive. Eine weitere Episode im Schildbürgertauziehen um die tschechische Gesundheitspolitik, Fortsetzung nicht ausgeschlossen.