20 Jahre danach

Foto: Jan Šilpoch
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Vor etwa 20 Jahren lief wieder einmal ein Countdown in der Geschichte. Genau in der Nacht vom 9. zum 10. November begann mit dem Fall der Berliner Mauer ein neues Geschichtskapitel für Europa und die Welt. Schon wenige Tage später läuteten hierzulande die Schlüssel von hunderttausenden Menschen, die auf dem Wenzelsplatz und der Letná-Höhe in Prag sowie in anderen Städten der damaligen Tschechoslowakei gegen das unliebsame kommunistische Regime protestierten.

Das emotionsgeladene Geschehen jener Tage ließ hohe Wellen von Hoffnungen und Erwartungen schlagen. Nun ist es „20 Jahre danach“. Unter diesem Leitmotto regen viele bereits laufende oder noch anstehende Veranstaltungen dazu an, eine Bilanz zu ziehen. Seien es Historikerkonferenzen, Journalistentalks oder Kunstausstellungen.

Der Jahrestag der politischen Wende 1989 ist aber sicherlich auch ein Anlass für viele Normalbürger, über die heutige Gesellschaft und ihre politischen Vertreter nachzudenken. Dass sie es tun und Letztere mit recht kritischen Augen sehen, weisen die jüngsten Umfragen nach. Die Zustimmungsrate geht gegen Null. In der Atmosphäre der sich schon endlos lang hinziehenden politischen Querelen hierzulande scheint aber die Nation eine Art „Rettungsring“ gefunden zu haben: die derzeitige Regierung. Laut einigen Umfragen genießt diese eine hohe Gunst der Wähler, mehr als 70 Prozent stimmen ihr zu. Paradoxerweise geht es um eine Regierung, über deren Bezeichnung bis vor kurzem noch diskutiert wurde. Soll man sie Beamtenregierung oder Interimsregierung oder einfach nur Sommerregierung nennen? Schließlich sollten ihre Tage gerade in diesen Tagen gezählt sein.

Am 9. und 10. Oktober sollte aus den vorgezogenen Wahlen ein neues Parlament hervorgehen und anschließend auch eine neue Regierung gebildet werden. Das Kabinett von Jan Fischer bleibt also mit beschränkten Kompetenzen am Ruder. Voraussichtlich bis Mai 2010, wenn eine planmäßige Parlamentswahl vorgesehen ist. Fast drei Viertel der Bevölkerung stört das offenbar nicht. Die Spitzenpolitiker auch nicht. Momentan haben sie sowieso keine Alternative parat. Man kann also allerseits durchatmen und trotzdem sagen: Lasst uns den 20. Jahrestag der Wende feiern! Gründe dafür gibt es immer trotz allem genug!