Nachrichten Sonntag, 06. Dezember, 1998

80 Jahre Böhmische Brüdergemeinde

Zum Dienst am Mitmenschen und zur Verurteilung der Gleichgültigkeit gegenüber den Weltproblemen rief am Samstag der christlich evangelische Synodenälteste Pavel Smetana in Prag auf. Anlässlich des 80. Jahrestages der Vereinigung der tschechischen lutheranischen und der reformierten Kirchengemeinden zur Evangelischen Böhmischen Brüdergemeinde trafen sich in Prag mehr als tausend Menschen aus der ganzen Republik. Staatspräsident Vaclav Havel erklärte in einem Grusswort, dass der Kirche in der Gesellschaft eine wichtige Rolle zukomme und die mit ihrem Glauben verbundene Demut ein besonderer Begleiter durch das Leben darstelle.

Keine Rückgabe von Eigentum an Sudetendeutsche

Die Rückgabe des Eigentums an vertriebene Sudetendeutsche komme nicht in Frage. In Tschechien werde auch weiter nach dem gültigen Gesetz gehandelt, das die Frist für Restitutionsansprüche mit dem Datum der Machtübernahme durch die Kommunisten im Jahre 1948 festlegt. Und die Deutschen fallen nicht unter dieses Gesetz. Dies erklärte Präsident Havel gegenüber dem deutschen Magazin Focus. Gleichzeitig erklärte Havel, dass die Tschechische Republik mit ihrem EU-Beitritt nichts gegen die Rückkehr von Sudetendeutschen einzuwenden habe. Havel begrüsste die Initiative deutscher Firmen zur Entschädigung von Zwangsarbeitern. Er widerlegte ausserdem die Behauptung, er lege sein Amt vor Auslaufen der vorgeschriebenen Amtsperiode im Jahre 2003 nieder.

Konferenz des tschechisch-deutschen Gesprächforums

In Dresden hat am Freitag die erste Sitzung des tschechisch- deutschen Gesprächsforums begonnen, das letztes Jahr in Ergebnis der bilateralen Versöhnungserklärung entstanden war und dem je 20 Mitglieder auf tschechischer und deutscher Seite angehören. An der Eröffnung der zweitägigen Konferenz nahmen der tschechische und der deutsche Präsident, Vaclav Havel und Roman Herzog, teil. Beide Politiker einigten sich darauf, dass der Zukunftsfonds, das Gesprächsforum und die Versöhnungserklärung eine Chance für die gemeinsame Zukunft und den Dialog zwischen beiden Völkern darstellen, der mehr als 40 Jahre lang nicht möglich gewesen war. Havel betonte in seiner Rede die europäische Dimension einer guten tschechisch-deutschen Nachbarschaft.

Tschechien-EU

Die tschechische Republik hat am Freitag Positionsdokumente zu drei weiteren Rechtskapiteln für die EU-Integratin in Brüssel hinterlegt. Es handelt sich um das Statistikrecht, das Fischereirecht sowie das Recht über Handelsgesellschaften.

Präsidentenpaar will gegen Buchautor klagen

Personen aus dem Umfeld von Präsident Havel haben kein Verständnis für seinen Entschluss bei Gericht gegen den Autor des Buches "Sieben Wochen, die die Burg erschütterten" zu klagen. Dies geht aus der Samstag-Ausgabe der Tageszeitugn Mlada fronta dnes hervor. Ein Grund dafür könne die Möglichkeit sein, das Mitarbeiter der Präsidialkanzlei eventuell als Zeugen aussagen müssen. Dem Präsidentenehepaar, das als Kläger auftritt, wird wenig Chancen auf Erfolg eingeräumt. Ausserdem wird ein weiterer Prestigeverlust für die Havels in der tschechischen Öffentlichkeit befürchtet. In dem Buch gibt der Autor auf spektakuläre Weise detaillierten Einblich in die Präsidialkanzlei und das Privatleben des Präsidentenehepaars.

Panzerverkauf nach Georgien

Das tschechische Aussenministerium hat gegen den geplanten Grossverkauf der tschechischen Armee von Panzern des Typs T-55 nach Georgien nichts einzuwenden. Die Panzer sollen der georgischen Polizei dienen.

Affäre Zilk

"Das gegen den ehemaligen Oberbürgermeister von Wien, Helmut Zilk, geführte Material der Staatssicherheitspolizei der Tschechoslowakei" ist nach Worten des tschechischen Botschafters in Wien, Jiri Grusa, ohne jede Relevanz. Zilk wurde mit den Ergebnissen einer eigens gebildeten Kommission des tschechischen Innenministeriums bekanntgemacht und wird kommenden Dienstag nach Prag fahren. Dort trifft sich Zilk mit Präsident Havel, der die für Zilk geplante Staatsauszeichnung im Oktober auf Grund der Verdächtigung der Mitarbeit mit der Stasi zurückgezogen hatte. Weitere Treffen mit Regierungschef Milos Zeman und Parlamentschef Vaclav Klaus sind geplant. Der tschechische Aussenminister Jan Kavan hat den Vorfall in einer offiziellen Note bedauert. Wie am Samstag der ODS-Senator Vaclav Benda erklärte, sei ihm unverständlich, wie Botschafter Grusa diese Erklärung abgeben konnte, da der Grossteil der Stasi-Akten irrelavant sei, wogegen es bedeutungsvoll wäre, wer die Akte beurteile. Nicht der Inhalt sei so wichtig, aber Unterschriften und ähnliches. Sollte ein unabhängiger Richter nämlich einen Experten heranziehen, könne der durchaus viel aus dem Material herauslesen. Benda spricht sich auch weiterhin für eine totale Offenlegung von Stasi-Akten aus.

Menschenrechtskonferenz

Die Menschenrechte könnten nicht unter dem Symbol der Dominanz der euroatlantischen Zivilisation über den Rest der Welt durchgesetzt werden, erklärte am Freitag der stellvertretende Aussenminister Martin Palous zu Beginn der Internationalen Menschenrechtskonferenz in Prag, die am Samstag zu Ende ging. Exaussenminister und UNO-Sonderberichterstatter für die Einhaltung der Menschenrechte, Jiri Dienstbier, eröffnete am Freitag im Nationalmuseum eine Ausstellung anlässlich des 50. Jahrestages der Annahme der Allgemeinen Menschenrechtskonvention, die bis Anfang Januar läuft.

Christdemokraten bekommen neuen Parteichef

Der derzeitige Vizechef der tschechischen Christdemokraten Jan Kasal will für den Posten des Vorsitzenden kandidieren. Kasal hat nach Josef Lux die Parteiführung übernommen, nachdem dieser aus Krankheitsgründen von sämtlichen Posten zurückgetreten war. In Reaktion auf den Apell von ODS-Chef Vaclav Klaus zur gemeinsamen überparteilichen Lösung der nationalen Wirtschaftsprobleme meinte Kasal, dass die Christdemokraten zum Dialog bereit seien. Als GEgenkandidat zu Kasal wird wahrscheinlich Ex-Innenminister Cyril Svoboda auftreten.

Die Namen des tschechischen Finanzministers Ivo Svoboda und seiner Beraterin Barbara Snopkova tauchen im Untersuchungsbericht der Polizei auf, der im Rahmen der Untersuchung des Verdachts auf Firmenunterwanderung gegen den Kinderwagenproduzenten Liberta geführt wird. Beide Personen wollten sich bisher nicht dazu äussern. Die Untersuchung soll in zwei Wochen ERgebnisse vorweisen, die den Verdacht auf Wirtschaftskriminalität begründen , bzw. ausschliessen - berichtet die Samstagausgabe der Tagesezeitung Mfd.

Das waren die Nachrichte.