Tschechisch XXL - internationaler Sommersprachkurs an der Karlsuni

Vier Wochen lang gemeinsam Tschechisch lernen: Das ist das Prinzip der "Letni Skola Slovanskych Studii" - der Sommerschule für Slawische Studien an der Karlsuniversität in Prag. Die "Letni Skola" kann auf eine lange Tradition zurück blicken, in diesem Sommer findet sie bereits zum 50. Mal statt. Auch während der kommunistischen Zeit kamen jedes Jahr Studenten aus der ganzen Welt nach Prag, um Tschechisch zu lernen. Die Sommerschule war damals einer der wenigen Orte für internationale Begegnungen. Die Zeiten haben sich geändert, aber ein Ort der Begegnung ist die "Letni Skola" noch immer. Anna-Lotta Liss berichtet.

Lucie Braun liest die Übungsaufgabe vor, die sie gerade bearbeitet hat. Doch Tschechisch-Lehrer Milan Hrdlicka ist mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden: Lucie hat das falsche Wort in den Lückentext eingesetzt. Und prompt wird sie verbessert. Milan Hrdlicka unterrichtet Studenten der Gruppe 4, also die Schüler, die in Tschechisch am weitesten fortgeschritten sind. Jeden morgen um 9 Uhr beginnt für Lucie und ihre fünf Mitschüler der Unterricht in der Philosophischen Fakultät in der Prager Altstadt. Lucie Braun studiert Westslawistik in Dresden. In den vier Wochen Sommerschule will sie ihr Tschechisch auffrischen. Ihr Interesse für die slawische Sprache hat aber noch einen anderen Grund:

"Mein Vater ist aus Tschechien, er hat aber mit mir nie Tschechisch gesprochen. Ich habe auch noch Verwandte in Tschechien. Deshalb hat mich die Sprache interessiert, ich wollte sie selber sprechen können."

"Es gibt jeden Tag zwei verschiedene Vorlesungen. Eine ist immer auf Tschechisch, die andere auf Deutsch oder Englisch. Es gibt zum Beispiel Seminare zu Literatur, Medien, Sprachwissenschaften oder Phonetik."

Um 13.20 Uhr ist die Uni zu Ende. Lucie macht sich gemeinsam mit ihrer Zimmergenossin Kerstin auf den Weg ins Studentenwohnheim nach Brevnov. Fast alle der 200 Sommerschüler sind in dem Plattenbau untergebracht. In der Mensa essen sie gemeinsam, tauschen sich aus und planen den Rest des Tages - mal auf Tschechisch, mal auf Englisch, einige in ihren Muttersprachen. Die Mädchen haben sich an einem der langen Tische in der Mensa gesetzt. Jede hat einen Teller mit Fleisch und Kartoffelbrei vor sich. Kerstin erzählt Lucie, dass sie heute Vormittag im Grammatik-Kursus sehr viele Hausaufgaben aufbekommen hat. Kerstin Döring besucht den Tschechisch-Kursus für mäßig Fortgeschrittene. Während des Studiums in Deutschland hat sie zwar schon einen Tschechisch-Kursus gemacht, vor dem obligatorischen Einstufungstest war sie trotzdem ein wenig nervös.

"Wir saßen alle in einem riesengroßen Saal und haben verschiedene Blätter bekommen. Und wenn man alles gekonnt hätte, dann hätte man bestimmt anderthalb Stunden lang Zettel ausfüllen können. Aber ich musste früher aufgeben, denn es war sehr, sehr schwer. Der Test war für weit Fortgeschrittene, da musste man schon fast Muttersprachler sein."

Kerstin hat in München Kommunikationswissenschaften studiert. Aufgewachsen ist sie aber in Marktredwitz in Bayern, kurz hinter der tschechischen Grenze. Als die Grenzen auf gingen, interessierte sie sich mehr und mehr für die Kultur auf "der anderen Seite". Die 25-Jährige spielt Volleyball. Durch den Sport lernte sie bei Wettbewerben viele Tschechen kennen, und wollte sich unbedingt auch mit ihnen verständigen können. Auch hier in Prag war es der Sport, über den sie junge Tschechen kennen lernte.

"Eine Freundin aus dem Wohnheim und ich haben mit Basketballern zusammen in der Halle trainiert. Das war sehr gut, weil wir nur Tschechisch um uns hatten und weil wir auch selbst viel Tschechisch gesprochen haben. Danach waren wir natürlich noch "na pivo", also auf ein Bierchen, und da haben wir uns auch nur auf Tschechisch unterhalten. Das hat mir sehr viel gebracht."

Insgesamt nehmen Schüler aus 38 Nationen an der Letni Skola teil. Am Anfang waren die deutschsprachigen Sommerschülern mehr unter sich, erzählt Kerstin. Aber bei den Ausflügen in die Umgebung am Wochenende und beim Kulturprogramm am Nachmittag seien die Gruppen mittlerweile sehr gemischt.

Heute Abend möchte Kerstin, zusammen mit anderen Studenten, in ein Konzert, das auch zum Rahmenprogramm der Sommerschule gehört. Deshalb fängt sie nach dem Mittagessen gleich mit den Hausaufgaben an. Im Zimmer der beiden deutschen Schülerinnen hat jede einen schmalen Schreibtisch.

 Philosophische Fakultät in Prag

"Wir haben von unserer Lehrerin einen Übungstest bekommen, der sich Progress-Test nennt. Der Test soll überprüfen, wie viele Fortschritte wir in den ersten beiden Wochen gemacht haben. Wir müssen in einen Lückentext die richtigen Fälle einfüllen. Das ist gar nicht so leicht ist, weil man im Tschechischen sieben Fälle unterscheidet. Ich muss unheimlich viel nachdenken."

Auch Lucie denkt gerade nach - über ihre Abendplanung. Vielleicht wird sie mit in das Konzert gehen. Oder sie schaut sich einen Kinofilm an.

"Mir gefallen die Filmabende immer am besten. Ein Professor wählt dafür verschiedene tschechische Filme aus. Es sind auch ältere dabei, die man sonst nicht sehen würde. Das finde ich immer recht gemütlich."

Am Donnerstag bekommen Kerstin, Lucie und die anderen Studenten ihre Tschechisch-Diplome verliehen, im Rudolfinum in der Prager Altstadt. Während einer feierlichen Zeremonie wird der 50. Jahrgang aus der Sommerschule entlassen. Seit 1948 haben rund 7000 Studenten an der "Letni Skola Slovanskych Studii" teilgenommen.