Europäische Begegnungen: Bulgaren und Rumänen in Tschechien

eu_cz_bulh_rum.jpg

Bulgaren und Rumänen: Sie sind neu in der Europäischen Union, und Tschechien hat für sie sogar seinen Arbeitsmarkt geöffnet. Allerdings beginnt der Zuzug nicht erst jetzt. Einige tausend Bulgaren und Rumänen sind schon vorher weiter nach Westen gezogen, der Arbeit oder der Liebe wegen oder aus sonstigen Gründen. Mit dreien, die nach Prag gegangen sind, hat sich Till Janzer für die Sendereihe "Begegnungen" unterhalten.

Foto: Europäische Kommission
Seit dem 1. Januar ist Assen Karailiev EU-Bürger. Der 31-jährige Bauingenieur stammt aus einem kleinen Ort in den bulgarischen Rhodopen. Dem EU-Beitritt kam er zuvor, indem er vor drei Jahren bereits nach Prag ging. In der tschechischen Hauptstadt betreibt er mittlerweile eine Firma, die Luxus-Immobilien in seinem Heimatland sowie in Rumänien verkauft. Assen Karailiev sagt, dass er sich gut in Tschechien eingelebt habe:

"Ich muss sagen, dass mittlerweile einige meiner besten Freunde Tschechen sind. Ich kenne sie vor allem über die Firma, die ich betreibe."

Neben der Firma hat ihm bei der Integration geholfen, dass die hier lebenden Bulgaren relativ gut organisiert sind. Es gibt nicht nur bulgarische Restaurants oder Imbisse in Prag, sondern auch Organisationen wie zum Beispiel Zaedno. So heißt die "Vereinigung der Bulgaren und Freunde Bulgariens in der Tschechischen Republik". Über Zaedno, das im Übrigen das bulgarische Wort für "gemeinsam" ist, kamen überhaupt die ersten Kontakte in der neuen Wahlheimat zustande.

Cristina Muntean wiederum stammt aus Rumänien. Die zierliche junge Frau ist aus einem anderem Grund als Assen Karailiev nach Prag gekommen:

"Ich bin seit September 2004 in der Tschechischen Republik. Gekommen bin ich wegen einer Kombination aus privaten Gründen und Studieninteressen. Mein damaliger Freund war Tscheche. Wir haben uns als Erasmus-Studenten in Frankreich kennen gelernt. Ich kam nach Prag und verliebte mich auch in die Stadt - und so entschied ich mich zum Umzug."

Im vergangenen Jahr schloss Cristina Muntean ihr Journalismus-Studium in Bukarest ab. Bessere Arbeitschancen als Journalistin hätte sie eigentlich in ihrer Heimat, doch es reizte sie im Ausland zu bleiben. So arbeitet Cristina Muntean heute als Redakteurin bei dem englischsprachigen Wirtschaftsmagazin "Czech Business Weekly".

Wieder andere Gründe haben Cristina Cernusca nach Prag geführt. Sie spricht Deutsch, da sie in Prag auf die deutsche Schule gegangen ist:

"Mein Vater ist eigentlich schon seit 1986 in Prag. Er wurde aus Rumänien von einer Organisation entsandt, die die Elektrizitätsnetzwerke in Osteuropa koordinierte. Und 1990 hat sich dann durch die Wende ergeben, dass der Rest der Familie nachkommen konnte."

Endgültig siedelte Cristina Cernusca dann 1993 über. In Prag fühlt sie wohl und hat sich gut eingelebt.

Die Geschichten des Bulgaren Assen Karailiev und der beiden Rumäninnen Cristina Muntean und Cristina Cernusca zeigen: Nicht erst der EU-Beitritt ihrer Heimatländer hat für sie den Weg innerhalb Europas frei gemacht. Die Migration von Bulgarien nach Tschechien hat dabei sogar eine kleine Tradition. Sie begann in der Zwischenkriegszeit. Vor allem junge Bulgaren kamen damals, um an den tschechischen Hochschulen zu studieren. 1946 bis 1948 folgte eine weitere, teils staatlich gelenkte Zuzugswelle einiger Tausend Bulgaren. Die Wende von 1990 brachte dann den wirtschaftlichen Niedergang in dem Balkanland. Nun setzte die letzte Phase der Wirtschaftsmigration ein.

Anders sieht es hingegen bei der Migration aus Rumänien aus. Cristina Muntean hat sich im Rahmen ihrer Arbeit beim Wirtschaftsmagazin "Czech Business Weekly" mit dem Thema beschäftigt:

"In der Tschechischen Republik besteht eine Sprachbarriere. Dazu sind die Löhne nicht attraktiv genug. Niedrig qualifizierte Arbeiter würden niemals hierher kommen, sie gehen eher nach Italien oder Spanien, wo sie sich leichter integrieren können, weil bereits Rumänen in diese Länder ausgewandert sind. Die Mittelklasse, zum Beispiel Krankenschwestern oder Lehrer, könnte nach Tschechien gehen. Sie trifft aber auf die Sprachbarriere. Hoch qualifizierte Arbeitskräfte sind wiederum eher abgeneigt, weil sie in Deutschland, Großbritannien oder Frankreich mindestens doppelt so viel verdienen können. Und die Sprachen, die man dort spricht, lernen wir in der Schule."

Der tschechische Arbeitsmarkt scheint also für Rumänen kaum interessant zu sein. Bulgaren tun sich zumindest mit dem Tschechischen leichter. Beides sind schließlich slawische Sprachen. Dennoch machen viele von ihnen einen Bogen um Tschechien und gehen gleich in den Westen. Erneut ist die Aussicht auf einen besseren Verdienst der Grund.

Zudem liegt nicht jedem die tschechische Mentalität. Cristina Cernusca meint dazu:

"Ich denke ganz allgemein sind die Rumänen etwas gelassener, gleichzeitig aber auch temperamentvoller. Was die zwischenmenschlichen Beziehungen angeht, sind sie gastfreundlicher und überhaupt dauert das Kontaktknüpfen nicht so lang wie bei den Tschechen. Allerdings: Wenn man sich mit den Tschechen angefreundet hat, sind die Beziehungen enger."

Assen Karailiev sagt Ähnliches auch über die Unterschiede zwischen Bulgaren und Tschechen. Aber er unterscheidet nach den Landesteilen:

"Die Mährer sind den Bulgaren ähnlicher als die Prager, die hingegen mehr nach den Deutschen schlagen."

Eine andere Meinung hat Cristina Muntean. Sie stammt aus Siebenbürgen. Die Leute dort würden sich von den Menschen im südlichen Teil Rumäniens unterscheiden. Der Charakter der Tschechen läge ihr sehr:

"Ich schätze an den Tschechen am meisten, dass sie erst einmal nachdenken, bevor sie reden oder handeln. Das ist eine vernünftige Herangehensweise, die ich fantastisch finde. Sie dringen auch nicht so in das Privatleben anderer ein. Hier in Prag bin ich mehr ich selbst, ich fühle mich stärker als Rumänin als zu Hause."

Andere Länder, andere Sitten - oder auch nicht: Willkommen in Europa!