Tschechisches Zentrum Wien: Kultur-Veranstaltungen bis in die Schweiz

Das Tschechische Zentrum in Wien geht fremd – und zwar landesfremd. Was es damit auf sich hat und was in den nächsten Wochen ansonsten noch geplant ist, erklärt der Leiter des Zentrums, Martin Krafl, im Interview.

Kateřina Šedá: Nedá se svítit  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums in London)
Herr Krafl, wir haben ja im Januar zu ihrem Einstand in Wien bereits über einen guten Teil des Programms im ersten Halbjahr 2012 gesprochen. Nun weitet sich das Aufgabengebiet des Tschechischen Zentrums in Wien aus, und zwar bis in die Schweiz. Warum, und wie sieht das Konzept aus?

„Ab diesem Jahr wird das Tschechische Zentrum in Wien auch einige Veranstaltungen mit tschechischen Künstlern und Künstlern in der Schweiz betreuen und unterstützen können. Das hängt damit zusammen, dass die Schweiz ein Nachbarland von Österreich ist, in dem man auch Deutsch spricht. In diesem Land herrscht ein großes Interesse an der tschechischen Kultur. Und es geht darum, die Diplomatie der Tschechischen Republik in Europa zu optimieren und zu regionalisieren. Ein eigenes Tschechisches Zentrum in der Schweiz wird es aber nicht geben. Den Auftakt zu unserer Tätigkeit macht, mit einem vom Tschechischen Zentrum Wien unterstützen Rahmenprogramm, eine Ausstellung der tschechischen Künstlerin Kateřina Šedá im Kunstmuseum Luzern, dem KKL. Das Kunstmuseum Luzern ist eines der führenden Schweizer Kunstmuseen mit Fokus auf der Präsentation zeitgenössischer Kunst. Die Ausstellung „Die Zeit“ wird die erste Übersichtsausstellung von Kateřina Šedá sein. Die Künstlerin setzt sich mit den Freuden und Ängsten spezifischer Gruppen in ihrer Heimat Tschechiens auseinander, die sie mit ihrem Sinn für Kommunikation aus der Routine bringt. Titel gebend für die Ausstellung in Luzern ist ein Projekt mit dem tschechischen Namen ‚Nedá se svítit’ im Dorf Nošovice, das als Produktionsstätte der großen Automarke ‚Hyundai’ in Interventionen eingebunden wird. Das Tschechische Zentrum in Wien unterstützt den Aufenthalt von Kateřina Šedá in der Schweiz sowie eine Begleitveranstaltung, in Form einer Spezialführung durch die Ausstellung, mit Gästen aus Nošovice.“

Schweiz.TschechischesZentrum.at
Welche weiteren Schweizer Städte wollen Sie in diesem Jahr ansteuern?

„Wir werden unsere Pläne noch mit der tschechischen Botschaft in Bern klären. Bis jetzt ist das nächste geplante Projekt eine Präsentation traditioneller tschechischer Animationsfilme beim Festival ‚Fantoche’ 2012 in Baden. Die Stadt Baden liegt im Kanton Aargau, wo das Festival im September dieses Jahres stattfindet. Wir haben bereits eine Website für unsere Tätigkeit in der Schweiz gegründet, sie lautet ‚Schweiz.TschechischesZentrum.at’.“

‚Osmdesát dopisů - 80 Briefe’
Wir waren im ersten Teil unseres Gesprächs weit weg von Wien, dem Sitz des Tschechischen Zentrums. Aber ich werde noch einmal die österreichische Hauptstadt ausklammern. Sie zeigen nämlich auch in Salzburg tschechisches Kino. Was bekommen die Zuschauer dort zu sehen?

„Es handelt sich um eine polnisch-tschechisch-russische Filmreihe zum Thema Emigration, Länderwechsel und Migration. Diese Filmreihe soll die verschiedenen Formen der Migration, ihre Gründe und nicht zuletzt die Konsequenzen, die für die jeweiligen Protagonisten sehr unterschiedlich sind, präsentieren. Die Tschechische Republik ist in Salzburg durch zwei Filme vertreten. Der erste heißt ‚Osmdesát dopisů - 80 Briefe’ von Václav Kadrnka, ein autobiographisches Werk, in dem eine Mutter in den 90er Jahren versucht, mit ihrem minderjährigen Sohn die notwendigen Ausreisedokumente zum Vater nach Großbritannien zu erhalten. Der zweite Film heißt „Amerika“ von Vladimír Michálek, inspiriert von Franz Kafkas Werk „Verschollen“. Der Film handelt von Karel Rossmann, der im Imperium seines Onkels in den USA arbeiten möchte. Eine schicksalhafte Begegnung mit einer mysteriösen Frau zerstört jedoch seine Karriere.“

Ich kehre jetzt mal nach Wien zurück – und zwar zur Kinder- und Jugendliteratur. Denn der kleine Maulwurf kommt an die schöne blaue Donau. Wann, wo und wie ist er zu sehen?

„Das Tschechische Zentrum Wien wird das größte Wiener Kinderliteraturfestival in Auersperg unterstützen. An diesem Festival nehmen 80 Länder teil, da darf die Tschechische Republik natürlich nicht fehlen. Meine Vorgängerin, Frau Langášková, hat sich bereits in den letzten Jahren mit dem Tschechischen Zentrum am Festival beteiligt, und diese Beteiligung wird nun fortgesetzt. Wie Sie schon erwähnt haben, zeigen wir die Trickfilme vom kleinen Maulwurf von Zdeněk Miler, und zwar vom 15. bis 21. März in Auersperg in der Auerspergstraße, direkt in Wien. Die zweite Veranstaltung, die wir für das Wiener Publikum vorbereitet haben, ist ein Tischtheater aus Prag mit der Prager Szenografin Dagmar Urbánková. Das Projekt heißt ‚Mechanischer Zirkus’ und geht auf ein Auslandsstudium 1995 in Bergen in Norwegen zurück. Damals entstanden Bilder, bewegliche Akrobaten, Tiere, aber auch für normale Zirkusse untypische Figuren. Und bei diesem Theater sind die Kinder und die Erwachsenen sehr nah. Das ist eine Voraussetzung, um das Theater richtig erleben zu können. Sonst würde an nichts sehen und hören. Es handelt sich also um ein besonderes Kindertheater.“

Über einige Programmpunkte im März und April haben wir bereits in unserem Interview im Januar gesprochen. So zum Beispiel über den Auftritt des Nachwuchspianisten Matyáš Novák, die Ausstellung und Filmreihe zu Miloš Forman oder das Kunstprojekt „Prague Art Meets the Streets“. Gibt es vielleicht noch etwas, das Sie ergänzen wollen, oder weitere Veranstaltungen, auf die Sie gerne hinweisen wollen?

„Am 21. März kommt der tschechische Poet Petr Hruška nach Wien. Anlässlich des Unesco World Poetry Day wird dieser Träger des Jan-Skácel-Preises und des internationalen Dresdner Lyrikpreises eine Auswahl seiner Gedichte präsentieren – und zwar im Rahmen eines Auftritts beim dritten Europäischen Festival der Poesie in Wien. Das Festival wird durch das Literaturhaus Wien und durch die Vereinigung der Kulturinstitute Eunic in Wien veranstaltet.“

Autor: Till Janzer
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