1936: Rundfunk-Reportage vom Prager Petřín-Turm

La tour de Petřín

Wir schreiben das Jahr 1936. Der Rundfunkreporter Gottlieb nimmt Sie mit auf den Prager Petřín-Turm, der – sobald man den Blick in seine Richtung lenkt, ein wenig Pariser Flair an der Moldau versprüht. Christian Rühmkorf hat für AnnoDazumal die Aufnahme im Archiv aufgestöbert.

„Von hier aus, in der rechten Ecke, gibt es den schönsten Blick auf die Prager Burg, den Sitz des Herrn Präsidenten. Dahinter, mit dem grünen Dach, das Lustschloss der Königin Anna und in der Mitte des Burgkomplexes der Veitsdom, dessen herrliche Architektur in Europa einzigartig ist.“

So bescheibt 1936 der Rundfunkredakteur Gottlieb in einer Reportage den herrlichen Blick auf Prag vom Aussichtsturm Petřín. Der Petřín-Turm, ragt in Nachbarschaft zur Prager Burg aus dem Laurenziberg empor und ist nicht zu übersehen. Die Spitze der filigranen, schlanken Metallkonstruktion schwebt 387,5 Meter über dem Meeresspiegel. Der Turm selbst ist 63,5 Meter hoch und fußt auf einer Verankerung, die sich 11 Meter tief in den Berg hineinbohrt. Fasziniert von Ausblick beschreibt der Redakteur ein Gebäude, das heute für die Deutschen in Prag besonders wichtig ist.

„Unter den Palästen ragt insbesondere der Palast des Fürsten Christian von Lobkowitz hervor, der im 18. Jahrhundert erbaut wurde und heute dem staatlichen Denkmalschutzamt gehört.“

Gut vierzig Jahre später wurde im Palast die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland untergebracht. Sie befindet sich noch heute dort, am Fuße des Laurenziberges mit dem Petřín-Turm.

Der Turm ist auch deshalb bis heute ein Touristenmagnet, weil er eine fünffache Verkleinerung des Pariser Eiffelturms ist. Wie kam dieses Stück Paris nach Prag?

Petřín,  1891
1889 waren Mitglieder des Tschechischen Wanderklubs zu Besuch auf der Pariser Weltausstellung. Sie beschlossen, Prag brauche etwas Ähnliches wie Paris und leiteten alles in die Wege. Schon im März 1891 begannen die Bauarbeiten. Architekt war Vratislav Pasovský, die Metallkonstruktion ersannen die Ingenieure František Prášil und Julius Souček. Eingeweiht und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde der Petřín-Turm schon am 20. August 1891, also vor 119 Jahren. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis 1936, als Reporter Gottlieb vom Turm aus berichtet, hat sich Prag sehr gewandelt.

Adolf Hitler auf der Prager Burg
„Die Altstadt von Prag liegt vor uns. Sie hat sich leider schon sehr verändert. Das alte jüdische Viertel ist verschwunden, heute ist es ein Palastviertel. Und von hier oben aus ist sehr gut zu sehen, wie klein das alte Prag war und wie weit es heute reicht.“

Schon drei Jahre nach der Ausstrahlung dieser Reportage hatte Adolf Hitler die Tschechoslowakei unterjocht. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann stünde heute auch der Petřín-Turm selbst nicht mehr auf dem Laurenziberg. Der Turm verderbe ihm die Aussicht von der Prager Burg. Man möge ihn abreißen, soll Hitler im März 1939 in Prag gewettert haben. Seinem Wunsch ist man – zum Glück – nicht nachgekommen.