Meine Hütte, meine Burg - Wochenendhäuslertum in Tschechien

Freitagnachmittag in Prag. Autokollonen quälen sich stadtauswärts. Es sind aber nicht nur Berufspendler, die die Straßen verstopfen, sondern Menschen, die das Wochenende auf ihrem Wochenendhäuschen, der chata verbringen. Am Sonntag kehren sie zurück, halten sich die Woche über in der Stadt auf, bevor es am Freitag wieder auf die Chata geht.

"An jedem Freitag setzen wir uns ins Auto und fahren auf die Chata. Freitags hin und am Sonntag zurück",

sagt der 33-jährige Roman Krejci, Ingenieur aus Prag. Wie Tausende anderer Tschechen auch verbringt Roman mit seiner Freundin Jana fast jedes Wochenende von April bis Oktober im Wochenendhaus, auf der chata. Etwa 12 Prozent der tschechischen Haushalte besitzen ein solches Häuschen, im Deutschen auch Datsche genannt. Die Chata ist aus dem Leben der Tschechen nicht mehr wegzudenken. Roman und Jana fahren jeden Freitag auf ihre Hütte in einer Chata-Siedlung bei Slapy. Slapy liegt rund 40 km südlich von Prag an einem Moldau-Stausee. Solche Chata-Kolonien findet man fast überall in Tschechien, entweder an Flüssen oder in den Bergen, also in der Nähe von Skigebieten. Die Tradition des Wochenendhäuslertums reicht mehr als 70 Jahre zurück und wurzelt in der so genannten Tramp-Bewegung der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Besonders in kommunistischer Zeit erlebten die Datschen eine besondere Blüte und das aus verschiedenen Gründen. Zum Beispiel, weil die Wohnverhältnisse in der kommunistischen Tschechoslowakei in den großen Städten sehr beengt waren. Roman Krejci:

"In der Zeit des Kommunismus konnten die Menschen nicht richtig bauen. In den Städten wurden viele Plattenbauviertel geschaffen. Die einzige Möglichkeit, wie die Menschen ihre eigenen Vorstellungen vom Bauen etwas realisieren konnten, das war auf der Chata. Dort konnte man zum Beispiel einen Garten anlegen oder einfach am Haus selbst arbeiten."

Die Chata stillte auch ein wenig die Sehnsucht nach der eigenen Scholle. Da auch die Reisemöglichkeiten ins Ausland beschränkt waren, verbrachten viele Menschen ihren Urlaub in den Wochenendhäuschen.

Nach dem Ende des Kommunismus sah es zunächst so aus, als würde das Chata-Phänomen allmählich zurückgehen. Die Menschen reisten verstärkt ins Ausland. In den letzten Jahren erleben die chaty aber eine Renaissance und sind gerade auch als Urlaubsort wieder beliebt. Für Jana Kralova gibt es dabei einen großen Vorteil:

"Ich fahre gerne ans Meer, aber das kommt auf unsere finanziellen Möglichkeiten an. Die Chata ist auf jeden Fall das Preiswerteste."

Auch die Eltern von Roman und Jana fuhren seit den 60er Jahren regelmäßig auf die Chata. Ein Verkauf des Häuschens kommt für sie nicht in Frage und auch in Zukunft wird es also heißen:

"Ich fahre auf die Chata, jeden Freitag"