Wem gehören die Karlsbader Oblaten?

Nürnberger Lebkuchen und steirisches Kürbiskernöl gehören bereits dazu: Zwei Beispiele für Produkte mit einer EU-weit geschützten Ursprungsbezeichnung. Auch die tschechische Regierung hat nun eine Liste mit regionalen Spezialitäten des Landes zur Registrierung vorgelegt. Was Traditionen schützen soll, könnte zugleich aber Traditionen abschneiden. Das meinen jedenfalls Vertreter der sudetendeutschen Landsmannschaften. Es berichtet Thomas Kirschner.

Von Südböhmischen Karpfen bis Saazer Hopfen reicht die Liste der insgesamt 35 regionaltypischen Produkte, für die die tschechische Regierung bei der Europäischen Kommission eine geschützte Ursprungsbezeichnung beantragt hat - darunter auch die berühmten Karlsbader Oblaten. Dagegen aber erhebt unter anderem der deutsche CSU-Europaabgeordnete und Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft Bernd Posselt Einspruch. Karlsbader Oblaten seien zwar im böhmischen Bäderdreieck entstanden, die Produktion habe vor dem Zweiten Weltkrieg aber vor allem in sudetendeutschen Händen gelegen, so Posselt.

"Dann sind 1945 die sudetendeutschen Bäckerfamilien vertrieben worden, und sie haben in der Vertreibung diese Tradition fortgeführt. Und es wäre doch ein Jammer, wenn sie 60 Jahre nachdem sie das alles mühsam wieder aufgebaut haben, ihre Produkte plötzlich nicht mehr Karlsbader Oblaten nennen dürften."

Betroffen davon wäre zum Beispiel der Betrieb der Familie Wetzel, die heute im bayrischen Dillingen ihre Karlsbader Oblaten bäckt. Im tschechischen Landwirtschaftsministerium beharrt man aber darauf, dass nur die Oblaten aus Karlovy Vary auch echte Karlsbader Oblaten seien. Ministeriumssprecher Hugo Roldan dazu:

"Ich meine nicht, dass es hier um die Wegnahme einer Tradition geht, denn die Tradition der Oblatenherstellung gehört ganz klar zu Karlsbad. Wenn deutsche Vertriebene aus der Region Karlsbad das Wissen um die Oblatenbäckerei mit in ihre neue Heimat genommen haben, können sie die Oblaten natürlich auch weiter herstellen. Aber wir meinen, dass die Bezeichnung ´Karlovarske oplatky´, also ´Karlsbader Oblaten´ auf die Region Karlsbad beschränkt sein sollte, wo die Oblaten seit jeher hergestellt werden."

Scharfe Töne schlägt dazu der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich (SLÖ) Gerhard Zeihsel an, der von dem "Versuch einer neuen Enteignung der Sudetendeutschen" sprach. Der Europaabgeordnete Posselt distanziert sich von solchen Angriffen.

"Es geht nicht um Enteignung - es geht überhaupt nicht um Konfrontation! Das möchte ich ganz klar sagen: Hier will niemand mit einem anderen einen Streit anfangen! Wir sollten nach der Devise leben: Leben und leben lassen! Es soll die tschechischen Oblaten aus Karlsbad geben und es soll die sudetendeutschen Karlsbader Oblaten geben, die aufgrund der Tragödien des 20. Jahrhunderts jetzt in Dillingen hergestellt werden. Für beide gibt es einen großen Markt, beide können koexistieren, und ich finde, man könnte gerade hier ein immaterielles Zeichen der Versöhnung setzen, wenn man einfach sagt: Es gab in Böhmen bis zur Vertreibung zwei Völker, die Tschechen und die Deutschen, und die haben dasselbe gegessen und dasselbe getrunken und eine gemeinsame Kultur gehabt, die zum Beispiel in den Oblaten fortlebt. Und diese Oblaten gehören daher beiden Seiten gleichermaßen."

Die Karlsbader Oblaten sind übrigens nicht das einzige umstrittene Produkt - eine ähnliche Auseinandersetzung gibt es auch um die olomoucke tvaruzky, die Olmützer Quargeln.