"Wir wollten nicht mit den Massen irren" - Gedenktafel in Brünn erinnert an den sudetendeutschen Sozialdemokraten Ludwig Czech

Ludwig Czech
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Er ist eine ebenso große wie unbequeme Figur in der tschechisch-deutschen Geschichte: der Brünner deutsche Sozialdemokrat Ludwig Czech (1870-1942). Mit seinem Engagement für die Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen zeigt Czech bis heute, dass es auch einen anderen Weg hätte geben können. Seit dem Wochenende erinnert in seiner Heimatstadt eine Gedenktafel an Czech. Thomas Kirschner war bei dem Einweihungs-Festakt dabei.

Ludwig Czech
Der 1870 geborene Ludwig Czech war Sozialdemokrat aus Überzeugung - zu einer Zeit, da es noch dem Ende einer bürgerlichen Karriere gleichkam, sich auf die Seite der Arbeiterklasse zu stellen. Sein unmittelbares Engagement für die Schwachen der Gesellschaft hebt vor allem die Vorsitzende des Deutschen Kulturverbandes Brünn, Dora Müller, hervor, die die Gedenktafel initiiert hat und sich auch noch persönlich an Czech erinnert.

Dora Müller
"Die größte Tat, wie ich sie sehe, ist eigentlich, dass Dr. Czech die erste und modernste Bezirkskrankenkasse der Monarchie im Jahr 1903 geschaffen hat, wo auch die Angehörigen krankenversichert waren. Das ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit, aber damals war das nicht so."

Barbara Prammer
Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie übernahm Ludwig Czech für fast zwei Jahrzehnte die Führung der sudetendeutschen Sozialdemokraten. Unter seiner Leitung gehörte die deutsche Sozialdemokratie der Tschechoslowakei zu den Kräften, die den jungen Staat stützen und sich um die Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen bemühten. Als Schulminister sowie als Sozial- und später als Arbeitsminister gehörte Czech von 1929 bis 1938 auch der tschechoslowakischen Regierung an. Der größte Verdienst der deutschen Sozialdemokratie der Tschechoslowakei lag aber in der kompromisslosen Haltung zum Nationalsozialismus. Die zweite Präsidentin des österreichischen Parlaments, Barbara Prammer, erinnerte in ihrer Ansprache an ein bekanntes Wort von Czechs Nachfolger Wenzel Jaksch:

"´Wir wollten nicht mit den Massen irren. In das Buch der Geschichte sei geschrieben´, so Jaksch weiter, ´dass die sudetendeutsche Sozialdemokratie den Nationalsozialismus aus sittlichen Überzeugungen heraus bekämpft hat.´ Und einer, der eben auch nicht mit den Massen irren wollte, war Dr. Ludwig Czech."

Zdenek Koudelka
Trotz eines Ausreisevisums wollte Ludwig Czech seine Heimat nicht verlassen. Als Jude und Sozialdemokrat doppelt verfolgt, wurde er 1942 von den Nationalsozialisten nach Theresienstadt verschleppt, wo er nach kurzer Zeit ums Leben kam. Erst Jahrzehnte später können sich nun Tschechen, Österreicher und Deutsche gemeinsam zu dem Erbe Ludwig Czechs bekennen, wie es in seiner Ansprache auch der tschechische Parlamentsabgeordnete Zdenek Koudelka tat:

"Ich bin stolz, dass wir in der neuen Europäischen Union gerade hier in Brünn an Ludwig Czech erinnern können, an einen Menschen, der den Weg vorgegeben hat, den wir nun beschreiten."

Foto: Thomas Kirschner