Grenze zwischen Zeit und Ewigkeit

Maria von den Platten

Unter dem Titel "Grenze zwischen Zeit und Ewigkeit" wurde vorige Woche in der Alfred Kubin Galerie in München eine Fotoausstellung eröffnet, deren Thema deutsche Friedhöfe in Böhmen, Mähren und Schlesien sind. Mehr erfahren Sie in der folgenden Ausgabe der Sendereihe "Begegnungen" von Martina Schneibergova.

Maria von den Platten  (Foto: Martina Schneibergova)
Bilder von einzelnen Gräbern, aber auch Gesamtansichten von verwüsteten Friedhöfen, zerfallene Grabsteine, Details von fast verschwundenen Grabaufschriften - dies sind die Hauptmotive der Fotos, die in der Alfred Kubin Galerie in München zu sehen sind. Der Veranstalter der Ausstellung ist der Adalbert Stifter Verein. Nach der Vernissage bat ich die Initiatorin der Ausstellung, Anna Knechtel, ans Mikrofon:

Anna Knechtel
"Die Ausstellung heißt ´Grenze zwischen Zeit und Ewigkeit´ und Gegenstand der Ausstellung sind Friedhöfe, und zwar historische Friedhöfe, also Friedhöfe, die meistens nicht mehr belegt werden und die schon recht alt sind. Es handelt sich um die verlassenen Friedhöfe der früheren deutschen Bevölkerung in Tschechien - also in Böhmen, Mähren und Schlesien. Wir zeigen diese Ausstellung nicht, dass wir meinen, dass diese deutschen Friedhöfe etwas Besonderes sind, sondern sie durch den Fortgang, bzw. die Vertreibung dieser Bevölkerung zu einer Sondergruppe geworden sind, nämlich Friedhöfe, die mit der Zeit verwachsen sind, die teilweise aus Mutwillen, aus Hass zerstört wurden. Und die liegen zum allergrößten Teil im Grenzgebiet der heutigen Tschechischen Republik und sie bilden manchmal sehr melancholische Gedenkstätten in der Landschaft, wenn man so will. Denn wenn man diese Friedhöfe sieht, stößt man darauf, dass die Gegend anders besiedelt war, auch mehr besiedelt war als heute. Man sieht umgestürzte Grabsteine, man sieht zerfallene Grabstätten, man findet teilweise Orte im Wald, wo man das auf den ersten Blick gar nicht merkt, und schließlich merkt man an irgendwelchen herumliegenden Figuren oder Kreuzen, dass da ein Friedhof gewesen sein muss. Es sind teilweise auch Stätten voller Melancholie oder sogar Poesie, aber natürlich auch der Trauer, wenn man sieht, dass da etwas gewesen ist, was unwiderruflich verschwunden ist. Und solche Orte, die verfallen natürlich immer mehr und werden irgendwann verschwunden sein, was das Los aller Orte ist, also auch der Friedhöfe. Wir wollten diese Orte einfach zeigen. Die Idee dazu ist uns auch gekommen, als wir im Jahre 1996 eine Ausstellung gezeigt hatten mit dem Titel ´Jüdische Friedhöfe in Böhmen und Mähren´. Deren Aussehen ist genauso, sie sind verlassen, die Bevölkerung ist verschwunden - vertrieben, ausgewandert, ermordet. Das sind ebenso verlassene und melancholische Stätten. Damals hatten wir uns überlegt, dass wir auch diese Friedhöfe der Deutschen zeigen wollen. Mir ist noch wichtig, hinzuzufügen, dass natürlich der Begriff ´deutsche´ Friedhöfe - den benutze ich, weil es sich leicht dahinsagt. Es gab natürlich nie ethnisch getrennte Friedhöfe in Böhmen und Mähren. Es gab - wie überall - konfessionelle Friedhöfe verschiedener Konfessionen, bzw. Gemeindefriedhöfe. Es wurden dort alle beerdigt, die an diesem Ort wohnten. Nur es gab Gegenden, wo vor dem Zweiten Weltkrieg fast nur Deutsche lebten. Und deswegen reden wir etwas verkürzt von deutschen. Das wollte ich nur zur Richtigstellung sagen."

Welche Fotografen wurden in diesem Zusammenhang angesprochen, oder fühlten sich angesprochen?

Tief drin im Böhmerwald  (Foto: Martina Schneibergova)
"Wir haben schon vor über einem Jahr angefangen, Aufforderungen, Einladungen rauszuschicken, in denen wir genau beschrieben haben, was wir uns vorstellen. Zunächst kam das etwas zögerlich. Aber nachdem sich das ein wenig herumgesprochen hatte, und wir dann von Fotografen weitere Adressen bekommen haben, hatten wir schließlich ungefähr 250 oder mehr Fotografien. Was für uns interessant war, die aller meisten Zusendungen kamen nicht aus Deutschland, sondern aus Tschechien. Andererseits haben wir uns gefreut, dass diese Friedhöfe nicht als etwas Fremdes aufgefasst wurden, etwas aus der Vergangenheit, worüber es sich nicht mehr lohnt, nachzudenken, sondern das es ein so starkes Echo war. Wir haben nicht nur ganz tolle Aufnahmen bekommen, übrigens nicht nur von professionellen Fotografen, sondern von Amateuren - von Autodidakten. Wir haben von ihnen nicht nur die Aufnahmen bekommen, sondern oftmals auch wunderschöne Texte dazu, in denen sie schreiben, wie diese Orte auf sie wirken - in ihrer Verlassenheit, auf welche Gedanken sie beim Betrachten dieser Friedhöfe gekommen sind. Einen sehr schönen Text haben wir deswegen in der Ausstellung ausgestellt. Er ist vom Archivleiter in Karlsbad, Milan Augustin, der Text heißt ´Ruhe sanft´ und er beschreibt darin, wie er als Jugendlicher auf den Friedhof gegangen ist, um das Grab seines Großvaters zu gießen, und dabei plötzlich auf diese deutschen Aufschriften auf diesen Gräbern stieß - darunter auch dieses Ruhe sanft! Für ihn war es eine ganz normale Grabaufschrift, und erst später, als er Deutsch zu lernen begann, hat er gemerkt, es ist eigentlich Deutsch ist. Ähnliche Texte - lange oder kurze - haben wir ganz viele bekommen."

Sind in dieser Ausstellung fast alle Regionen vertreten?

Jindrich Streit un Johanna von Herzolgenberg  (Foto: Martina Schneibergova)
"Zu unserer großen Freude haben wir Aufnahmen fast aus ganz Tschechien bekommen. Wir haben Friedhöfe aus Egerland, aus Nordböhmen, dann die typischen südböhmischen Friedhöfe mit den gusseisernen Kreuzen. Wir haben mehrere Aufnahmen aus Nordmähren. Die einzige Region, die uns fehlt, ist Südmähren. Insgesamt haben wir Einsendungen von insgesamt 27 Fotografen ausgestellt. Es handelt sich um 60 Tafeln mit ungefähr 87 Fotos.

Unter den professionellen Fotografen sind auch Fotografen, die sehr bekannt sind, und nicht nur in Tschechien. Es handelt sich dabei um Jindrich Streit aus Sovinec/Eulenburg, der verschiedene Szenen auf dem Dorffriedhof fotografiert hat. Er war auch bei der Eröffnung zugegen und hat kurz gesprochen. Der zweite Fotograf ist Ibra Ibrahimovic, er lebt in Nordböhmen und hat uns einige seiner Aufnahmen aus dem Zyklus ´Scherben Nordböhmens´ zu geschickt. Er ist vor allem im letzten Jahr bekannt geworden, weil er der Gewinner des populären Wettbewerbs Czech Press Foto ist."

Die Fotoausstellung "Grenze zwischen Zeit und Ewigkeit" ist in der Alfred Kubin Galerie in München bis 3. Dezember geöffnet.