Ivančice – eine Kleinstadt kann Europa

Ivančice (Foto: Kirk, Creative Commons 3.0)

Vor genau 15 Jahren ist die Tschechische Republik der EU beigetreten. Seitdem scheinen sich die Bewohner des Landes immer weiter von Brüssel abgewandt zu haben. Doch es gibt auch Gegenbeispiele. Das Städtchen Ivančice etwa profitiert von EU-Fördermitteln, wie andere Regionen übrigens auch. Dort in Südmähren werden die Gelder aber auch dafür genutzt, um sich mit Europa zu verlinken.

Ivančice  (Foto: Kirk,  Creative Commons 3.0)

Jana Heřmanová  (Foto: Ivana Vonderková)
Einst war Ivančice für seinen Spargel bekannt – und zwar in ganz Europa. Heute gibt es dieses Verbindungsglied nicht mehr. Die Königin des Gemüses wird in der Gegend kaum mehr angebaut. Aber Europa kann man in der Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern durchaus begegnen.

So kommen zum Beispiel regelmäßig Fachkräfte für Jugendarbeit aus anderen EU-Ländern als Freiwillige in den Ort. Jana Heřmanová leitet das Freizeitzentrum von Ivančice und sitzt in der Gemeindevertretung als parteilose Abgeordnete:

„Seit 2009 haben wir regelmäßig europäische Freiwillige hier. Jedes Jahr kommen etwa sechs von ihnen und leben dann ein ganzes Jahr bei uns. Das heißt, sie gliedern sich in das Stadtleben ein, nehmen an unseren Freizeitaktivitäten teil und bringen zugleich etwas Neues mit. So lernen sie in den Schlüsselkompetenzen für ihre Arbeit hinzu. Wir wiederum schöpfen daraus Inspirationen, das Zusammenleben mit ihnen ist perfekt und macht unsere Tätigkeit bunter.“

Freiwilligenjahr in Südmähren

Foto: Ivana Vonderková
Die jungen Leute kommen zum Beispiel aus Frankreich, Italien oder Deutschland. Aber auch Freiwillige aus Ivančice lernen über diesen Austausch andere Regionen des Kontinents kennen.

„Da wir Partner sind bei unterschiedlichen Projekten, schicken wir Jugendliche in andere EU-Länder, aber auch in weitere europäische Staaten. Unsere Jugend war zum Beispiel schon in Portugal, Belgien, Spanien, Finnland, Schweden, Deutschland, Polen und der Slowakei sowie in Lettland, Estland, Georgien oder Zypern“, so die engagierte Politikerin.

Sämtliche Austauschprogramme laufen mittlerweile über das Erasmus-Programm der EU, konkret über „Jugend in Aktion“. Es gibt aber auch das sogenannte Europäische Solidaritätskorps. Dabei werden die Jugendlichen selbst aktiv, wie Jana Heřmanová schildert:

„Eine Gruppe von Jugendlichen denkt sich im Rahmen von Teilprojekten ein eigenes Vorhaben aus. Wir unterstützen sie dann materiell und finanziell, aber vor allem helfen wir dabei, die Anträge niederzuschreiben und die Projekte umzusetzen. Daraus sind die Jugendklubs in Ivančice, Nové Branice und Dolní Kounice entstanden. Bei den einzelnen Vorhaben ging es zum Beispiel um Mütter mit Kindern, um Senioren, das Programm Rubikon für verantwortungsvolle Entscheidungen oder um Tanzgruppen. Dadurch entsteht immer etwas Neues, und die verschiedenen Gruppen und Kreise kommen – genauso wie die ausländischen Freiwilligen – in unser Zentrum. Oder sie fahren in andere EU-Länder zum Jugendaustausch beziehungsweise zu Auftritten im Rahmen ihrer Aktivitäten.“

Freizeitzentrum in Ivančice  (Foto: Ivana Vonderková)
Derzeit arbeitet das Freizeitzentrum in Ivančice gerade mit ausländischen Partnern an einem neuen Projekt…

„Es geht um die Beteiligung an strategischen Planungen, also an dem, was sich ändern soll in der Kommune. Wir stellen den Projektantrag, unsere Partner kommen aus Portugal, Italien und Belgien. Ziel ist, dass sich alle reihum in den beteiligten Ländern für jeweils eine Woche treffen und eine Methodik erarbeiten, um junge Leute ins Gemeindeleben einzubinden“, erläutert Heřmanová.

Ganz allgemein glaubt die Lokalpolitikerin, dass Tschechien viel Erfahrung hat gerade im Bereich Jugendarbeit. Und diese wolle man gerne weitergeben:

Foto: Ivana Vonderková
„Andere EU-Staaten haben den Vorteil, dass sie das Geld aufbringen können, um Kinder- und Jugendeinrichtungen zu bauen. Wir haben zwar keine so tollen Bauten, dafür wissen wir, wie man die Arbeit mit Jugendlichen aufzieht. In Frankreich zum Beispiel wurden perfekte Methoden ausgearbeitet, aber man schaut etwas neidisch darauf, wie die Arbeit mit Kindern bei uns funktioniert. Ähnliche Einrichtungen wie die unsrigen gibt es zum Beispiel auch in Finnland. Mit ihnen arbeiten wir zusammen. Wir sollten uns gegenseitig inspirieren. Ich denke, der Erfahrungsaustausch funktioniert sehr gut.“

Wärmedämmung und Krankenhäuser

Allgemein glaubt die Leiterin des Freizeitzentrums, dass seit dem EU-Beitritt das Interesse am internationalen Austausch in der Stadt zugenommen hat. Zudem haben sich Ivančice und 13 benachbarte Gemeinden zu einer Mikroregion zusammengeschlossen. Auf diese Weise lassen sich EU-Gelder besser nutzen, um die Infrastruktur auszubauen. Das sei besonders im Bereich Umweltschutz geschehen, erläutert Jana Heřmanová:

Foto: Ivana Vonderková
„Ich glaube, die meisten Gelder wurden für die Wärmedämmung in Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden genutzt. Aber auch Schulen und Krankenhäuser wurden gebaut oder renoviert.“

Doch kommt das auch in der öffentlichen Wahrnehmung an? Sehen die Einwohner die EU positiv? Da muss Jana Heřmanová etwas ernüchtert feststellen:

„Auf der einen Seite beschweren sich die Menschen über die Löcher in den Straßen und Bürgersteigen. Auf der anderen Seite ist es ihnen auch nicht recht, wenn mit Geldern aus EU-Fonds für Städte und Gemeinden die Ausbesserungsarbeiten beginnen. Dann wird über gesperrte Straßen und Bürgersteige geschimpft. Dennoch denke ich, dass sie letztlich den Unterschied erkennen – dass die Häuser neue Fassaden haben und die öffentlichen Gebäude wie etwa die Schule. Auch Kulturdenkmäler werden restauriert. Dazu kommen kleinere Projekte, mit denen das Gemeindeleben gefördert wird. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie das positiv sehen dürften, auch wenn sie sich manchmal nicht bewusst machen, dass dies eine Folge unserer EU-Mitgliedschaft ist.“

Im Übrigen wird auch das Freizeitzentrum mit Geldern aus Brüssel ausgebaut, und zwar in zwei Bereichen:

Foto: Ivana Vonderková
„Zwei Projekte laufen da gerade zusammen. Aus Mitteln des Integrierten regionalen Operationsprogramms bauen wir einen polytechnischen Medien- und Sprach-Lehrsaal mit elf Plätzen und Internet-Anschluss. Dabei machen wir das Gebäude auch barrierefrei, das betrifft zum Beispiel die Toiletten und den Aufzug. Und im Rahmen des operativen Programms zum Umweltschutz tauschen wir 450 Fenster und Türen aus, dämmen die Fassaden und erneuern die Heizanlage.“

Und wie Jana Heřmanová betont: Bei diesen Projekten habe es keine Probleme mit der Finanzierung gegeben. Denn die Anträge seien gut ausgearbeitet gewesen. Das scheint auch die große Erfahrung in Ivančice zu machen.

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