Victor Klemperers Tagebücher

Victor Klemperer

Ein besonders wichtiges Zeugnis über den zweiten Weltkrieg stellen die Tagebücher des deutschen Romanisten Victor Klemperer dar. Vor kurzem erschien der zweite Teil seiner Aufzeichnungen aus den Kriegsjahren in Tschechien. Näheres über Victor Klemperer und seine Memoiren hören Sie nun von Lena Hammerschmidt.

Der Name Victor Klemperer ist in Deutschland ein fester Begriff. Klemperer wurde 1881 in Landsberg geboren und ging in Berlin auf das humanistische Gymnasium. Er studierte Philosophie, Germanistik und Romanistik und lehrte im In-und Ausland. Im 1. Weltkrieg meldete er sich freiwillig als Soldat. Klemperer war Sohn eines Rabbis, doch die jüdische Religion spielte für ihn im täglichen Leben keine Rolle und wie viele andere hielt er das Naziregime für ein schnell vorübergehendes Übel. Die Nazis jedoch blieben und sprachen ihm die deutsche Identität ab, sie enthoben ihn 1935 von seiner Professorenstelle in Dresden, er durfte keine Bibliotheken mehr benutzen und musste den Judenstern tragen. 1940 wurden Klemperer und seine Frau Eva in ein Dresdner Judenhaus gezwungen. Weil er mit einer Arierin verheiratet war, blieb er bis Februar 1945 vor einer Deportation verschont. Während eines Bombenangriffs gelang den beiden die Flucht aus Dresden. Klemperer überlebte, lebte und lehrte nach dem Krieg in der DDR. Sein Buch Lingua Tertii Imperii, eine Sprachanalyse des 3. Reichs wurde ein Kultbuch im Osten Deutschlands. Die Tagebücher Klemperers wurden in Deutschland 180.000 Mal verkauft und 1999 auch für das Fernsehen verfilmt. Dass uns die Aufzeichnungen Klemperers über das Leben in Nazideutschland zugänglich sind, ist Walter Nowojski zu verdanken, der den Nachlass herausgegeben hat. Und das, obwohl Klemperer sich unterschiedlich über eine Veröffentlichung geäussert hat.

Er hat an den unterschiedlichsten Stellen des Tagebuchs, je nachdem wie seine Verfassung war, geschrieben: Wenn mir irgendwas passiert, soll man es sofort verbrennen. Wenn er in anderer Situation gewesen ist, dann hat er geschrieben: Wenn mir irgendwas passiert, dann soll man es so wie es ist drucken. Und als er merkte es geht ans Leben, kurz vor Ende des Krieges, hat er dies besonders betont. Jemand, der 15000 Seiten über sich selber schreibt, der möchte, wie es in der schönsten deutschen Dichtung heißt, "doch, dass etwas von ihm drüber bleibt", in der Welt bleibt.

Von Norwegen bis nach Brasilien: In mehr als 15 Ländern erschienen die Klemperer Tagebücher seit 1995 und noch immer kommen Anfragen aus der ganzen Welt. Nur Israel, in dem Nowojski so gerne die Tagebücher veröffentlicht sehen würde, zeigt kein Interesse. Klemperer war bekennender Antizionist. Vor drei Jahren hat der Verlag Paseka den ersten Teil, die Jahre 1933 bis 41 für die tschechischen Leser herausgegeben. Nicht ohne Risiko, war das Buch über 1000 Seiten dick und der Name Victor Klemperer hatte hier eine andere Bedeutung als in Deutschland, wie der Übersetzer des Buches, Radovan Charvat erklärt:

"Vor drei Jahren war Klemperer überhaupt kein Begriff, über Klemperer wusste man nichts, null. Und nachdem das Buch erschienen ist, der erste Teil, waren wir absolut überrascht, was für ein Echo das Buch brachte. Aber....nur in intellektuellen Kreisen, da gab es wirklich viele viele ganz positive Kritiken in den Zeitungen und das hat mich eigentlich überrascht...dass das eben ein Blick eines Menschen, der als Opfer unter Hitler war und das ist für uns, für Tschechen eigentlich ein unbekanntes Feld."

Als die Tagebücher 1995 mit dem Geschwister Scholl Preis ausgezeichnet wurden, sagte Martin Walser in seiner Laudatio: Sinnvoll wäre, dafür zu sorgen, dass Klemperer überall gegenwärtig wäre, dass er zu einer wichtigen Auskunftsquelle über diese Epoche deutscher Geschichte werden würde. Mit der kompletten Veröffentlichung der Tagebücher aus den Kriegsjahren hier in Tschechien ist ein weiterer Schritt in diese Richtung getan.

Victor Klemperer. Deníky 1942-1945. Chci vydat svedectvi, erschien im Verlag Paseka und kostet 430 Kronen.