Ein Feiertag, viele Kontroversen – Tschechien begeht den 28. Oktober

28. Oktober 1918 in Prag

Am Freitag ist Feiertag in Tschechien. Warum am 28. Oktober frei ist, mag für Außenstehende auf den ersten Blick merkwürdig aussehen – gefeiert wird nämlich die Geburt der Tschechoslowakischen Republik 1918. Die Entstehung eines Staates also, der nicht mehr existiert. Dennoch ist es der wichtigste staatliche Feiertag hierzulande, der zudem immer wieder von Kontroversen begleitet wird – insbesondere seit dem Amtsantritt von Miloš Zeman als Präsident.

Bericht über die Entstehung der Tschechoslowakischen Republik  (Foto: Lidové noviny)
Am Morgen des 28. Oktober 1918 standen die Prager noch als Bürger der Donaumonarchie auf. Zu Bett gingen sie als Bürger der Tschechoslowakischen Republik. In den letzten Monaten des Ersten Weltkrieges war bereits klar, dass die Monarchie nicht mehr überleben würde. In Paris formierte sich in dieser Zeit um den späteren Präsidenten Tomáš Garrigue Masaryk eine Exilregierung. Diese setzte sich mehr und mehr für die Eigenstaatlichkeit der Länder der böhmischen Krone ein. Am 27. Oktober zeigte sich die Regierung des österreichisch-ungarischen Kaisers Karls I. noch zu Autonomie-Verhandlungen bereit – doch es war bereits zu spät. Am Abend des Folgetages gründeten erst die Tschechen ihren Staat, zwei Tage später stießen die Slowaken dazu.

Václav Klaus  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Die Tschechoslowakei bestand mit Unterbrechungen bis 1993. Der 28. Oktober war im kollektiven Gedächtnis der Tschechen und Slowaken immer ein wichtiger Tag geblieben. Sogar die Kommunisten rührten ihn nicht an – auch wenn es Pläne dazu gab. Er wurde lediglich in den Tag der Verstaatlichung umbenannt, um nicht direkt an die Erste Republik erinnern zu müssen. Diese galt nämlich als bürgerlich.

Als sich 1993 die Tschechen und Slowaken trennten, wollten letztere vom 28. Oktober nichts mehr wissen. Bei den Tschechen war das anders. Warum, das hat der frühere Präsident Václav Klaus einmal bei einer seiner Feiertagsreden erklärt. Gerade dieser Tag sei ein Meilenstein in der Identitätsfindung der Tschechen gewesen, sagte Klaus.

Václav Havel  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Doch vor allem seit dem Ende des Kommunismus und dem Zerfall der Tschechoslowakei gibt es immer wieder Kontroversen am Staatsfeiertag. Es geht vor allem darum, an was man an diesem Tag erinnern will. Symptomatisch sind dafür die wichtigen Feierlichkeiten auf der Prager Burg und die Verleihung der Staatsauszeichnungen.

Für den ersten Präsident Tschechiens Václav Havel war klar, wer geehrte werden sollte: Menschen, die sich vor allem dem totalitären Kommunismus entgegengestellt hätten, wie er selbst betonte. Kritisiert wurde er jedoch deswegen, da diese Freiheitskämpfer oft enge Freunde von ihm waren, wie zum Beispiel Karel Schwarzenberg und Pavel Landovský.

Jiří Grygar  (Foto: Katarína Brezovská,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Auf die Spitze der Konflikte brachte und bringt es aber der amtierende Präsident Miloš Zeman. Bereits in den vergangen Jahren blieben den Feierlichkeiten vor allem die Hochschulrektoren fern. Grund dafür waren Konflikte Zemans mit einzelnen von ihnen, die er schließlich entgegen des Usus nicht einlud zu den Feierlichkeiten. Zudem lehnten zahlreiche Persönlichkeiten einen Orden aus den Händen Zemans ab, so Ex-Premier Petr Pithart oder der Physiker Jiří Grygar. Sie stoßen sich vor allem an Zemans schönen Augen für die Volksrepublik China und Russland.

In diesem Jahr ist der Holocaust-Überlebende Jiří Brady der Grund für einen gespaltenen Staatsfeiertag. Der Onkel von Kulturminister Daniel Herman (Christdemokraten) kam in dem Glauben nach Prag, den Tomáš-Garrigue-Masaryk-Orden zu erhalten. Die Pläne des Präsidialamts sahen aber anders aus. Vor allem die konservative Opposition und die regierenden Christdemokraten bleiben der Feier nun fern. Karel Schwarzenberg ist Ex-Außenminister und Ehrenvorsitzender der konservativen Top 09:

Festakt am 28. Oktober an der Prager Burg  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Die Prager Burg ist zu einem profanen Ort geworden und hat viel von seinem Glanz verloren – vor allem dadurch, was in der letzten Zeit passiert ist. Da wäre es eine Schande für mich, jetzt zu diesen Feierlichkeiten zu gehen.“

Die Opposition will daher eine Alternativveranstaltung auf dem Altstädter Ring in Prag organisieren. Dort soll der 28. Oktober in Würde und im Geiste Masaryks begangen werden, heißt es. Ob damit aber etwas für die Würde des Feiertags an sich getan ist, steht auf einem anderen Blatt.

Im Übrigen kennt sich auch Miloš Zeman gut mit dem Boykott der Feierlichkeiten zum Staatsfeiertag aus. 2001 weigerte er sich wegen eines Zerwürfnisses mit Dagmar Havlová, beim Festakt zu. Die damalige First Lady hatte ihn als Lügner bezeichnet und ausgeschlossen, ihm jemals die Hand zu schütteln.