Das Mysterium des Altstädter Brückenturms

Altstädter Brückenturm (Foto: Martina Schneibergová)

Ursprünglich wurde sie „Steinbrücke“ oder die „Prager Brücke“ genannt. Heute gehört die Karlsbrücke zu den meist bewunderten Baudenkmälern hierzulande. Erbaut wurde sie in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts anstelle der durch das Hochwasser zerstörten romanischen Judithbrücke. Initiator des wichtigen Verkehrsbaus war Karl IV. Bestandteil der Brücke sind auch drei Türme. Am linken Moldauufer steht der Kleinseitner Brückenturm, der durch einen Bogen mit einem älteren romanischen Turm verbunden ist. Der Altstädter Brückenturm am rechten Moldauufer ist der älteste, wertvollste und am besten erhaltene Teil der Karlsbrücke.

Altstädter Brückenturm  (Foto: Martina Schneibergová)
Anlässlich des bevorstehenden 700. Geburtstages von Karl IV. wurde der Turm vor einigen Tagen für die Öffentlichkeit wieder geöffnet. In seinen Räumlichkeiten ist eine neue Dauerausstellung zu sehen. Zum Altstädter Brückenturm kommt man vom Platz Křižovnické náměstí (Kreuzherrenplatz). Auf der linken Seite des Tors geht es in den Turm und in die Dauerausstellung, die in den beiden Etagen sowie im Keller installiert ist. Pavla Státníková vom Prager Stadtmuseum hat die Schau zusammengestellt.

„Der Turm wurde 1357 zusammen mit der Brücke errichtet. Alle wichtigen historischen Ereignisse haben hier ihre Spuren hinterlassen. Zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs wurden die Köpfe von zwölf hingerichteten böhmischen Adligen zur Abschreckung an diesem Turm aufgesteckt. Am Ende des Dreißigjährigen Kriegs wurde der Brückenturm von den schwedischen Truppen beschossen, sie waren auf der Kleinseite stationiert. Beschädigt wurde der Turm auch 1848 während des Prager Pfingstaufstands. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Bauwerk zwar von Architekt Josef Mocker umgestaltet, aber der gotische Ursprung ist immer noch klar zu erkennen. Der Turm ist das schönste Exponat der neuen Ausstellung.“

Turm wie ein Symbol des Kosmos  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Schau trägt den Titel „Das Mysterium des Turms“. Es gibt eine interessante Theorie, dass der Turm wie ein Symbol des Kosmos entworfen worden sei, erzählt ein weiterer Kurator, der Architekt Ondřej Šefců. Laut dieser Theorie wurde die Fassade des Turms in vier Sphären gegliedert, die übereinander stehen: eine braune Sphäre des Lebens auf der Erde, eine blaue Sphäre des Wassers, eine gelbe Sphäre der Sonne und eine rote Sphäre der Sterne. Der Architekt:

„Wir haben für die Ausstellung ein Schema erstellt, mit dem wir die vermutliche Bedeutung der einzelnen Sphären des Turms erläutern. Dabei erwähnen wir auch, dass wir nicht wissen, ob dem so war. Aber es ist interessant, darüber nachzudenken. Wenn man sich den Turm von unten anschaut, sieht man, dass man sich in der unteren, sozusagen ‚irdischen Sphäre‘ des Lebens befindet. Um zwei Sphären höher steht erst der Herrscher. Es ist nicht überraschend, dass sich Karl IV. in derselben Sphäre wie der heilige Veit bewegt. Trotz seiner Klugheit hielt er sich für einen Boten, der vom Himmel erkoren war, um das Königtum zu leiten und Prag im Stil Jerusalems auszubauen. Die Plastik des Herrschers steht auf der Fassade oben in der Sonnensphäre. Noch höher stehen die Statuen der böhmischen Heiligen, der heiligen Sigismund und Prokop. Ganz oben auf dem Dachgipfel strahlen schließlich zwei goldene Sonnen.“

Wappen aller Länder der Böhmischen Krone

Foto: Martina Schneibergová
Der Turm selbst sei das Hauptexponat, betonen die beiden Kuratoren. Zu besichtigen sind alle Räumlichkeiten, vom gotischen Keller bis zum Wandelgang. Ondřej Šefců:

„In der ersten Etage wird beschrieben, wo welche Plastik platziert ist. Präsentiert wird zudem eine komplette Serie von Wappen der Länder der Böhmischen Krone aus der Zeit Karls IV. Denn die Wappen sind an der Turmfassade angebracht. Den böhmischen Löwen würden vermutlich die meisten erkennen. Aber weniger bekannt ist, wie beispielsweise das Wappen von Schweidnitz aussieht. Die Besucher der Ausstellung erhalten jedenfalls eine Vorstellung davon, wie viele Fürstentürmer im Hochmittelalter zum Königreich Böhmen gehört haben.“

Karlsbrücke  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Karlsbrücke, die heute als wertvolles Baudenkmal bewundert wird, war als wichtiger Verkehrsbau errichtet. Sie ersetzte die 1342 durch ein Hochwasser zerstörte Judithbrücke. Der Altstädter Brückenturm wurde errichtet, um die strategische bedeutende Brücke bei Bedarf schließen zu können. Ondřej Šefců:

„Darum gibt es hier das große Tor, das früher mit einem Gitter versehen war und mit dem der Eingang zur Brücke gesperrt werden konnte. In der ersten Etage haben wir ein Holzmodell des Tors erstellt, um vorzuführen, wie es einst funktioniert hat.“

In der Moldau versunken

In der Schau werden des Weiteren einige der rätselhaften gotischen Plastiken von der Turmfassade beschrieben, über deren Bedeutung die Kunsthistoriker bis heute rätseln. Im gotischen Keller werden weitere ganz spezielle Exponate gezeigt, erzählt der Kurator:

„Zu sehen sind Gegenstände, die bei den jüngsten Forschungen in der Moldau gefunden wurden. Es handelt sich um eine sehr bunte Sammlung von Sachen, die sogar mit dem Bau der Brücke oder den Brückenstatuen aus der Barockzeit zusammenhängen, bis hin zu Gegenständen, die erst vor kurzem in die Moldau gefallen sind. Wir empfehlen aber auch, bis hinauf in den Turm zu klettern und sich den gotischen Dachstuhl anzuschauen.“

Der Altstädter Brückenturm ist täglich geöffnet, und zwar von April bis September von 11 bis 22 Uhr. Im Winter wird bereits um 18 Uhr geschlossen.

Den Turm zu besteigen lohnt sich auch aus einem weiteren Grund: Von oben bietet sich ein herrlicher Blick nicht nur auf die Karlsbrücke und den Hradschin, sondern auch auf die Prager Altstadt und weitere Stadtteile.