Die Cembalistin Zuzana Ruzickova: "Cembalo ist meine Liebe auf das erste Hören"

Das Jahr 2003 brachte der herausragenden tschechischen Cembalistin Zuzana Ruzickova gleich mehrere freudige Erlebnisse: Das 50jährige Jubiläum ihrer unermüdlichen pädagogischen Tätigkeit an der Akademie der Musischen Künste in Prag, erfolgreiche Konzertauftritte vor tschechischem und ausländischem Publikum, und nicht zuletzt eine Staatsmedaille für ihr Lebenswerk, die sie von Präsident Vaclav Klaus anlässlich des Staatsfeiertages am 28. Oktober entgegen nahm. Es ist schier unmöglich, den persönlichen Beitrag von Zuzana Ruzickova für die Musik vollständig aufzulisten. Ein Porträt-Versuch der ersten Dame des Cembalo bietet Ihnen der folgende Beitrag von Lucie Drahonovska:

Wer bereits die Möglichkeit hatte, die Cembalistin Zuzana Ruzickova persönlich kennen zu lernen, würde mir mit Sicherheit Recht geben: Zuzana Ruzickova ist eine Granddame, und das nicht "nur" im Bezug auf das erhabene Musikinstrument, sondern - und vor allem - durch ihr Naturell. Und so fällt es in der Tat sehr schwer, wenn man sich diese zarte, anmutige Dame in einem Konzentrationslager vorstellen soll, wo sie vier Jahre lang inhaftiert war und nur wie durch ein Wunder überlebt hat. Wie viele andere Häftlinge, hatte sich auch sie an die Muse geklammert und unter den unvorstellbaren Lebensbedingungen musiziert.

Heute kann die Musikprofessorin Zuzana Ruzickova auf eine Karriere zurück schauen, die sie durch ihr Talent, enormen Fleiß, vollkommene Technik und breites Kulturwissen erreicht hat. Als ich der zarten Dame vor kurzem persönlich begegnete, habe ich nicht widerstehen können und sie um ein Gespräch gebeten.

Frau Professor, seit wann begleitet sie Ihre Musikleidenschaft?

"Eigentlich von Kindheit an. Schon als Kind war ich verliebt in die Musik. Zuerst natürlich passiv und dann wollte ich unbedingt Klavierstunden nehmen. Und seitdem war es für mich ganz klar, dass die Musik meine einzige Liebe ist."

Und was bedeutet sie für sie konkret?

"Eigentlich eine Welt, die sich die Menschen ausgedacht haben. Sie ist viel wesentlicher als unsere Welt, in der wir leben müssen. Denn die Musik hat eine ganz bestimmte Ordnung, die wir im Leben nicht finden. Weil sie von bestimmten Gesetzen geleitet und bedingt wird. Die Musik ist eine Zuflucht vorm Leben, das unvorsehbar und eigentlich ohne eine für uns verständliche Ordnung ist."

Die Musík war für Sie auch in den schwierigsten Zeiten Ihres Lebens eine Zuflucht. Unter anderem nahmen Sie im Konzentrationslager Theresienstadt an der Kinderoper Brundibar teil ...

"Ja. Ich war damals im Chor dieser Oper dabei. Leider habe ich die Premiere dieser Oper in Teresienstadt nicht mehr erlebt, weil wir dann mit meiner Mutter nach Auschwitz deportiert wurden. Aber bei den Proben war ich dabei. Es existiert davon sogar ein Foto."

Aber in der Nachkriegszeit haben Sie sich gänzlich der Musik widmen können - und neben dem Klavier das Cembalo gewählt.

"Weil ich als Kind von Bachs Musik besonders angetan war und sie wahrscheinlich auch sehr gut spielen konnte. Ich hatte eine sehr gute Lehrerin, die sehr gebildet war, und sie hatte schon damals gesagt, dass Bach eigentlich nicht für Klavier, sondern für Cembalo komponiert habe. Ursprünglich hat sie gewollt, dass ich Orgel studieren sollte. Ich war aber ein sehr kränkliches und schwaches Kind, und die Orgel ist auch physisch sehr anspruchsvoll. Und so habe ich schließlich Cembalo studiert. Es war geplant, dass ich nach meiner Pflichtschulausbildung nach Paris zur Cembalo-Professorin Vanda Landowska gehen würde. Doch das wurde dann durch den Krieg zunichte gemacht. Nach dem Krieg habe ich an der Akademie der Künste in Prag mit Klavier angefangen. Als ich aber gesehen habe, dass dort das Fach "Cembalo" eröffnet wurde, bin ich neugierig geworden und ließ mich eintragen. Und wie ich es sage: es war Liebe auf das erste Hören. Dort habe ich mich völlig wohl gefühlt."

Nach Ihrem Sieg im ARD-Wettbewerb in München im Jahre 1956 wurden Sie auch außerhalb der tschechischen Grenzen berühmt. Welche Erfahrungen haben Sie im Ausland gemacht?

"Ich war ja vor allem in der Bundesrepublik sehr viel unterwegs - in München, Ansbach, Leipzig. Eigentlich hatte ich zuerst eine große Scheu, mit Bach nach Deutschland zu gehen. Obzwar ich durch meine Lehrer, besonders durch Dr. Jiri Reinberger, sehr eng mit der Leipziger Schule bekannt war. Es war für mich eine sehr schöne Überraschung, dass man in Deutschland meine Bach-Interpretationen damals sehr gut aufnahm - sowohl seitens der Kritik als auch seitens des Publikums."

Ihr Repertoire haben Sie schon angesprochen, Sie spielen vor allem Bach ...

"Ja, vor allem. Ich habe für die französische Firma Erato das ganze Cembalo-Werk von Bach auf Schallplatten aufgenommen. Es machte zusammen an die 35 Langspielplatten. Dafür werde ich demnächst, am 12. 12., mit dem Titel "Chevallier d l'art de lettre" honoriert. Und dann spiele ich gerne französische und italienische Musik. Und natürlich Musik des 20. Jahrhunderts."

Frau Professor, ich möchte Ihnen noch nachträglich zu Ihrer jüngsten Auszeichnung gratulieren, mit der Sie Vaclav Klaus kürzlich geehrt hat. Mit welchen Gefühlen haben Sie sie entgegen genommen?

"Natürlich ist man dabei sehr gerührt. Erstens dieses ganze Ambiente der Prager Burg, und ich war eigentlich immer Sympathisantin von Vaclav Klaus. Dass ich diese Auszeichnung aus seinen Hände erhalten konnte, das hat mich sehr gefreut. Und eine zusätzliche Freude und vielleicht die größte war, dass diesmal eben zwei Musiker aus der Branche der Kammermusik ausgezeichnet wurden: Professor Snitil und ich. Und ich empfinde, dass wir dort eigentlich die Vertreter der ganzen Kammermusik waren, und das war für mich eine Seltenheit und eine ganz große Freude, weil sonst sind ja im Vordergrund des medialen Interesses entweder Musiker aus der populären Sphäre oder Dirigenten, Sänger, also Leute aus attraktiven Branchen. Dass diesmal die Kammermusik geehrt wurde, das war für mich sehr wichtig, und ich hoffe, dass es ein Zeichen für die Öffentlichkeit sein wird, sich wieder mehr nach innen zu wenden, sich mehr der Kammermusik zuzuwenden."