Soll es ein Zentrum gegen Vertreibungen geben?

Vertreibung der Sudetendeutschen

"Zentrum gegen Vertreibungen" - auf die Errichtung eines derartigen Mahnmals zielen die jüngsten Initiativen des Bundes für Vertriebene hin, die in Deutschland sofort eine kontroverse Debatte und in Tschechien eindeutig ablehnende bzw. zurückhaltende Reaktionen ausgelöst haben. Im folgenden Beitrag fasst Jitka Mladkova Reaktionen von beiden Seiten zusammen:

Vertreibung der Sudetendeutschen
Im Juni dieses Jahres hat das tschechische Kabinett den 2. Weltkrieg und anschließende Nachkriegsereignisse, darunter auch die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei, als Geschehnisse bezeichnet, die aus der heutigen Sicht nicht akzeptabel wären. In diesem Sinne äußerte sich bereits im März der tschechische Präsident Vaclav Klaus. Beides scheint einen guten Boden für den bevorstehenden Besuch des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in Prag bereitet zu haben. Schließlich hat das auch der deutsche Bundesaußenminister Joschka Fischer bestätigt, der am Dienstag dieser Woche bei seinem Arbeitsbesuch in der tschechischen Hauptstadt die von tschechischen Spitzenpolitkern eingenommenen Positionen positiv hervorhob. Nach seiner Einschätzung entwickeln sich derzeit die tschechisch - deutschen Beziehungen besser denn je zuvor. Für seine Worte bezüglich des geplanten Zentrums gegen Vertreibungen erntete Fischer jedoch scharfe Kritik der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Den Plan für die Errichtung des Zentrums gegen Vertreibungen sollte man nach Meinung Fischers als ein europäisches Projekt auffassen, wobei auch der 2. Weltkrieg und damit das, was der Vertreibung und Vernichtung der deutschen Minderheiten in den einzelnen Ländern vorausgegangen war, in Betracht gezogen werden sollte. Den Vorwurf, der in der in Deutschland in diesem Zusammenhang entbrannten Debatte zu hören war, es handle sich hierbei um ein nationales Projekt und man konzentriere sich zu sehr auf die Perspektive der deutschen Vertriebenen, kann Sibylle Dreher, Präsidiumsmitglied des Bundes für Vertriebene, nicht nachvollziehen. Für Radio Prag sagte sie:

"Es stimmt schon, dass wir die Vertreibung der Deutschen als zentralen Aufhänger nehmen wollen, und das bedeutet nicht, dass wir nur unser Leid sehen wollen, das bedeutet auch nicht, dass wir anderen Völkern Schuld zuschieben wollen. Und unsere Gegner, die sagen, das ist ein zu nationales Konzept, meiner Ansicht nach kennen sie das Konzept zu wenig oder wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass wir die europäische Dimension sehr wohl berücksichtigen wollen."

Für ein grundlegend europäisches Konzept hingegen plädiert der Initiator des u.a. auch von dem deutschen Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass unterzeichneten Aufrufs gegen das vom Bund der Vertriebenen angestrebte Zentrum, der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel:

"Wir wollen kein nationales Projekt eines solchen Zentrums gegen Vertreibungen, bei dem die deutschen Vertriebenen im Zentrum stehen, weil dies in Mitteleuropa zu Fragen und manchem Misstrauen führen wird. Und deshalb ist es für uns das Anliegen gewesen, sich mit dieser gesamten Vertreibungsgeschichte auseinanderzusetzen und dass es wichtig wäre, dass wir gerade da vesuchen, diese Geschichte gemeinsam aufzuarbiten, gemeinsam zu schreiben. Das heisst, eben ein Zentrum gegen Vertreibungen, das wir gemeinsam auf den Weg bringen."

Nach seiner Meinung zum selben Thema fragten wir auch den Ko-Vorsitzenden des Tschechisch-Deutschen Zukunftsfonds mit Sitz in Prag, Tomas Kafka:

"Ich kann lediglich für mich selbst sprechen und nicht für den Tschechisch-Deutschen Zukunftsfonds. Ich glaube, die Frage, ob ein solches Zentrum entstehen soll oder nicht, ist viel mehr die Frage, ob man für eine solche Idee in der Tat eine entsprechende Akzeptanz finden kann. Im Prinzip ist, wie man sagt, alles möglich, aber der Teufel steckt im Detail, und das Detail ist für mich die Frage der Akzeptanz und nicht die Frage der Konzepte."