Jan Skacel

Jan Skacel war einer der führenden Dichter der Generation, die in der zweiten Hälfte der 50er Jahre die Literaturbühne betrat. Die Beziehung zur Geburtsregion, zur Tradition, zur Dichtung, die Betonung der grundlegenden Sicherheiten, der Mythos des Andauerns, des Fließens der Zeit und der ewigen Rückkehr sind Hauptmotive seiner Gedichte. Das Leben und Schaffen Skacels war mit der mährischen Metropole Brno/Brünn eng verbunden, wo er in den 60er Jahren die Gestalt der bedeutenden Kulturrevue Host do domu (Gast im Haus) prägte. Nach der Liquidierung dieser Zeitschrift zur Zeit der Normalisierung wurde dem Dichter die Publikation verweigert. Erst in den 80er Jahren konnten seine Gedichtsammlungen, in denen er seine charakteristischen Motive präzisierte und vertiefte, hierzulande wieder herausgeben werden. Jan Skacel starb nur 10 Tage vor der gesellschaftlichen Wende, am 7. November 1989. Diesem Dichter ist der nachfolgende Kultursalon gewidmet, in dem Sie Olaf Barth und Markéta Maurová begrüßen.

Das Programm, aus dem wir schöpfen, entstand im Tschechoslowakischen Rundfunk anlässlich des 65. Geburtstags des Dichters 1987. Grundthema der Überlegung von Jan Skacel ist: die Poesie.

"Wie alle Künste, ist auch die Poesie grundsätzlich ein Geheimnis. Jeder Versuch ihren Zauber zu definieren, endet mit einem manchmal lächerlichen, manchmal brutalen Fiasko. Die Erklärung eines Gedichtes liegt im Gedicht selbst und ist untrennbar mit diesem verbunden. Ich würde mich nie dazu verführen lassen, zu versuchen, einige Verse aufzuklären, von denen ich selbst nicht genau weiß, warum ich sie geschrieben und wo ich sie gelesen habe."

"Ich habe daher ein Gedicht gefunden, zu dem ich ein Paar Fakten nennen kann, ohne es ganz zu vernichten. Ich muss es nicht erklären. Ich sage nur, wie es an manchen, scheinbar unverständlichen Stellen mir selbst erklärt wurde. Das Gedicht heißt "Sonett mit Landschaft anstelle einer Halskette", es ist ganz einfach, man könnte sagen schlicht. Ich habe es für meine Frau geschrieben. Die Verse entstanden unter dem Eindruck einer Landschaft, die wir zufälligerweise abseits der Straße gefunden haben. Es gab dort ein paar verlassene Bäume, die von Staren angeflogen wurden, kurzes abgeästes Gras, ein tief ausgefahrener Feldweg und eine Reihe von krummen Weinstöcken in einem abgestorbenen Weinberg. Ich war sehr ergriffen von der Landschaft, habe den ganzen Nachmittag dort verbracht und sie mit nach Hause getragen. Nach einer bestimmten Zeit habe ich diese Landschaft auch geschrieben und meiner Frau anstelle einer Halskette zum Geburtstag geschenkt. Sie war so rücksichtsvoll und brav, dass sie sich mit meiner Halskette begnügte und nicht nach den Elefanten fragte."

SONETT MIT LANDSCHAFT ANSTELLE EINER HALSKETTE

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und weil wir schon bald alt

und wie die häuser sein werden von vögeln

fand ich für uns eine landschaft



wo es eine tränke gibt

einen rosa berg

das hinunterfallen

und auch einen hang



wo die erinnerung noch währt

und ich gebe sie dir

wie ich das leben dem eigenen tod schenkte



als ich ihn damals überwältigte

auf der elefantenwiese

im nicht ausgetretenen gras



"Einmal habe ich aber vor meinen Freunden diese merkwürdige verlorene Ecke erwähnt. Sie erklärten, diese sehr gut zu kennen. Es soll dort einst ein Übungsraum für Panzer gewesen sein. Sie sagten mir das nur am Rande, um den Ort näher zu bestimmen, und wussten gar nicht, dass sie mir geholfen haben, meine eigenen Verse zu begreifen. Warum die Elefanten? Ich weiß - und Zeit und Zufall haben es bewiesen - dass diese Wiese, von der aus wir die Staranflüge beobachtet haben, tatsächlich ein dauerhaftes Gedächtnis hatte. Ich habe nichts selbst erfunden."

Die Dauer des Gedächtnisses ist ein Schlüsselthema bei Jan Skacel. Die Rückkehr in der Zeit spielt ebenso eine bedeutende Rolle bei ihm:

"Ich bin nie allein zu Hause. Zu Hause, dazu sagt man in Mähren - "bei uns". Und bei uns bin ich von zu vielen lauten Sachen umgeben. Ich habe in meiner Wohnung nie einen Vers geschrieben. Ich brauche dazu Spaziergänge, Regen, den Staub der Feldwege, das Schwanken der Blätter in den Baumkronen, ich brauche es, unbekannte Menschen zu treffen, sie abzuschätzen und an ihnen vorbeizugehen, einige Wörter zu hören, andere Worte laut auszusprechen, Vernunft und rationale Wahrnehmung für eine Weile loszuwerden, mitten in der Masse allein sich selbst gegenüber zu stehen. Zu Hause kann ich höchstens - auf dem Küchentisch - da ich keinen Schreibtisch habe - einige Verse ins Reine schreiben und sie dann entweder in den Mülleimer werfen oder mit einer gewissen verzweifelten Hoffnung in die Akte legen. Nicht mehr. Und dann schlafen gehen."

Autoren: Olaf Barth , Marketa Maurova
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