Brüsseler Entscheidung: Tschechien ist Herkunftsland der Olmützer Quargeln

Olmützer Quargeln (Foto: www.wikimedia.org)

Die von der EU geschaffenen Herkunftsbezeichnungen von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln sind häufig Gegenstand von Streitfällen. So einen hat vor kurzem Tschechien bei Vergabe des EU-Gemeinschaftszeichens „Geschützte geographische Angabe“ für die „Olmützer Quargeln“ ausgefochten. Die Kontrahenten im „Kampf“ um den charakteristisch riechenden und pikant schmeckenden Käse waren Deutschland und Österreich. In beiden Ländern, die diese Käsespezialität auch für sich reklamieren, werden nämlich die Olmützer Quargeln als eine der Harzer-Käse-Sorten produziert.

Olmützer Quargeln  (Foto: Tomáš Blaha,  www.regionmohelnicko.cz)
Sechs Jahre lang haben die drei EU-Länder gegeneinander um die Olmützer Quargeln gekämpft. Den Antrag auf die Zuerkennung der geschützten geographischen Angabe für das traditionelle Produkt aus Mähren hat Tschechien 2004 kurz nach dem EU-Beitritt in Brüssel vorgelegt. Doch ein Jahr später wurde er von den Europaabgeordneten Agnes Schierhuber aus Österreich und Bernd Posselt aus Deutschland angefochten. Beide beriefen sich unter anderem auf das Recht der Nachkommen ehemaliger sudetendeutscher Bürger der Tschechoslowakei, die Olmützer Quargeln auch in Deutschland und Österreich produzieren zu dürfen. Nach dem sechsjährigen Tauziehen hat aber Ende Juni die Europäische Kommission entschieden, wo die Olmützer Quargeln zu Hause sind: in Tschechien. Die tschechische Botschafterin bei der EU, Milena Vicenová, spricht von einem mühsamen Gefecht:

„Es war wirklich ein schwerer Kampf. Wir mussten nachweisen, dass es sich hierbei um ein absolut exklusives Produkt handelt, hergestellt aus sehr guten Komponenten nach einer traditionellen und genau festgelegten Prozedur. Tschechische Experten haben auch nachgewiesen, dass sich die Nachahmungen aus Deutschland und Österreich sowohl in ihrem Geschmack als auch in der Technologie ihrer Herstellung von dem herkömmlichen Käse aus Tschechien unterscheiden. Es hat sehr lange gedauert. Die Europäische Kommission muss aber in so einem Streitfall absolut objektiv vorgehen. Andernfalls könnte eine der beteiligten Parteien die Klage erheben und das wäre höchst unangenehm.“

Dazu ist es also nicht gekommen. Von nun an läuft aber noch eine 5-jährige Übergangsfrist, in der die deutsche und österreichische Konkurrenz ihre Produkte unter dem deutschen Namen „Olmützer Quargeln“ produzieren darf. Milena Vicenová fügt hinzu:

„Danach werden beide Länder von diesem Namen Abschied nehmen müssen und die Verbraucher werden absolut im Klaren sein: Wenn sie das Produkt namens ´Olmützer Quargeln´ kaufen, werden es einzig und allein Quargeln tschechischen Ursprungs sein. Die fünfjährige Übergangsperiode halte ich für einen sehr klugen Kompromiss und ich persönlich freue mich sehr über unseren Sieg.“

Nach fünf Jahren wird der Käse ausschließlich nur unter seinem tschechischen Namen „Olomoucké tvarůžky“ im In- und Ausland angeboten werden.

Olmützer Quargeln
Original - Olmützer Quargeln kommen heute aus Loštice, einer 30 Kilometer nordwestlich von Olmütz gelegenen Kleinstadt. Die dort ansässige Firma „A. W.“ hat das tschechische Quargel-Monopol inne. Ihr Begründer Alois Wessels machte sich schon Ende des 19. Jahrhunderts um die Beliebtheit des Quargels verdient. Den durch Kommunisten verstaalichten Familienbetrieb haben 1991 sechs Nachkommen in einer Restitution zurückbekommen. Allerdings in einem beinahe desolaten Zustand.

Olmützer Quargeln
Angefangen hat man mit 21 Mitarbeitern und der Jahresproduktion 300 Tonnen Quargeln. Heute produzieren rund 150 AW-Mitarbeiter mithilfe der modernsten Technologie 2400 Tonnen Quargeln jährlich. Wessels Ururenkel Karel Hlaváček, der vor dem Einstieg in die Lošticer Käserei Glasmacheröfen projektierte, erinnert sich an den radikalen Umbau des Betriebs noch vor dem EU-Beitritt Tschechiens:

„Es ging vor allem um die Einhaltung aller hygienischen Vorschriften der EU. Das bedeutete eine komplexe Renovierung - von der Kanalisation angefangen bis hin zur Elektroinstallation. Anschließend wurden die technologischen Einrichtungen durch moderne Maschinen ausgetauscht, die alle hygienischen Normen entsprechen.“

Herstellung der Olmützer Quargeln  (Foto: www.ct24.cz)
Das hat auch eine Inspektion aus Brüssel 1996 bestätigt. Als einer der ersten Lebensmittelproduzenten in Tschechien hat die AW Loštice das Recht erworben, die euroäische Bezeichnung „gesundheitlich einwandfrei“ auf der Verpackung ihrer Produkte zu verwenden.

Über den jüngsten Erfolg der Firma, der ihr nach vielen Jahren geleisteter Mühe das begehrte Gütezeichen für ihre Produkte eingebracht hat, freut sich auch der Geschäftsführer Jaroslav Kovář. Über einen möglichen Schaden, der seiner Firma durch die Verwendung des Markenzeichens „Olmützer Quargeln“ im Ausland zugefügt wurde, will er nicht sprechen:

„Durch die Entscheidung der EU wird natürlich die Position unserer Firma auf dem Markt gestärkt. In Deutschland wird nur eine einzige der Harzer-Käse-Sorten unter dem Namen Olmützer Quargel verkauft. Daher ist es sehr schwer einen Schaden zu bewerten. Es steht aber eines fest: Wir waren, sind wir und werden auch weiter einer Konkurrenz all der Harzer Käsesorten ausgesetzt sein. Und das sind Produkte verschiedener Firmen.“

Karel Hlaváček  (Foto: www.kamnapivo.sk)
Die Geschichte des Quargels reicht angeblich bis ins 15. Jahrhundert zurück. In zahlreichen Dörfern der mährischen Haná-Region soll dieser Käse aus Sauerquark und Salz in Handarbeit hergestellt worden sein. Er gilt als einziger ursprünglich tschechischer Käse. Wer in der regionalen Geschichte nicht so bewandert ist, muss sich unbedingt eine Frage stellen: Wieso wurde der Name der Olmützer Quargeln nicht von Loštice, sondern von dem Zentrum Mittelmährens, nämlich Olmütz, abgeleitet? Der Bürgermeister der Kleinstadt, Ctirad Lolek spricht diesbezüglich von einem historisch verwurzelten Marketingtrick: Die Quargeln habe man immer nur im Umland von Olmütz hergestellt und in diese Stadt nur zum Verkauf gebracht.

Ctirad Lolek
Doch nicht nur eine erhöhte Quargelnproduktion verspricht sich die mährische Kleinstadt Loštice, in der die AW-Käserei ihren Standort hat. Ihre mit der Region verbundene alte Tradition habe die Stadt mit rund 3000 Einwohnern in ihrem Kampf um die Zuerkennung der Geschützten Ursprungsbezeichnung bestärkt, sagt Bürgermeister Ctirad Lolek:

„Wir haben fest daran geglaubt, dass sich bewahrheiten wird, dass die Produktion der Olmützer Quargeln einst hier bei uns in Mittelmähren begann.“

Und man hofft auch auf einen noch größeren Zulauf von Touristen, auf die dort nicht nur ein Museum der traditionellen Quargel-Produktion wartet. Das Städtchen verwandelt sich bei feierlichen Gelegenheiten in ein wahres „Quargelkönigreich“, in dem der König Quargel I. regiert. Doch weder Touristenattraktionen noch das begehrte Gütezeichen „geschützte geografische Angabe“ werden kaum etwas daran ändern, dass die in Loštice produzierten und als „Olmützer“ bezeichneten Quargeln die Nation auch in Zukunft spalten werden. Nach dem simplen Motto des Lošticer Bürgermeisters Ctirad Lolek:

„Die Quargeln muss man entweder lieben oder hassen. Dazwischen gibt es keine Alternative."