Tschechien erkennt den Internationalen Strafgerichtshof an

Nach jahrelangem Zögern hat das tschechische Parlament am Mittwoch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anerkannt - als letztes der 27 EU-Mitgliedsländer. Bisher standen verfassungsrechtliche Bedenken der Anerkennung gegenüber, die sind nun offenbar ausgeräumt. Till Janzer hat mit Radio-Prag-Redakteur Daniel Kortschak über die Hintergründe der Entscheidung gesprochen.

Daniel, was ist dieser Internationale Strafgerichtshof eigentlich und was sind seine Aufgaben?

Nun, gegründet wurde der Internationale Strafgerichtshof / International Criminal Court – kurz ICC – durch das so genannte Römische Statut vom Juli 1998. Seinen Betrieb aufgenommen hat das im niederländischen Den Haag angesiedelte Gericht im Juli 2002. Als Vorbild dienen die UNO-Kriegsverbrechertribunale für Jugoslawien und Ruanda. Wie diese Tribunale hat auch der Internationale Strafgerichtshof die Aufgabe, schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden. All das aber immer nur in dem Fall, in dem die jeweiligen nationalen Gerichte versagen bzw. durch totalitäre Machthaber ausgeschaltet werden.

Welche Staaten erkennen den ICC an?

Zunächst ist wichtig zu sagen, dass die drei Großmächte China, Russland und USA den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkennen. Und gerade die Regierung Bush hat in der Vergangenheit auch immer wieder Stimmung gegen den ICC gemacht. Klar, denn Einrichtungen wie das Gefangenenlager in Guantanamo samt US-Sondergericht passen mit der Idee des ICC nicht zusammen. Hingegen haben alle EU-Staaten das Römische Statut ratifiziert und erkennen damit den ICC an. Dem ist aber erst seit Mittwochabend so. Bisher war nämlich in Tschechien die Ratifizierung ausständig. Man zwar bereits am 14. April 1999 das Römische Statut unterzeichnet, die nötige Ratifizierung durch das Parlament blieb aber aus.

Warum hat man in Tschechien so lange gezögert?

Da geht es zum einen um verfassungsrechtliche Bedenken. So sieht die tschechische Verfassung etwa eine Immunität des Staatspräsidenten, der Verfassungsrichter und der Parlamentsabgeordneten vor. Und auch ein – nicht ganz klar formuliertes – Verbot, eigene Staatsbürger an ausländische Gerichte auszuliefern. Aber natürlich kann man dahinter auch eine Art Zwickmühle sehen, in der Tschechien steckt: Dem Land liegt sehr viel an seinen guten Beziehungen zu den USA, die ja gegen den ICC sind. Andererseits wuchs buchstäblich von Tag zu Tag der Druck von Seiten der EU, endlich den Internationalen Strafgerichtshof anzuerkennen.

Warum kommt die Anerkennung gerade jetzt? Hat das mit der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2009 zu tun?

Ganz sicher. Die Kritik an der angeblich schlechten Vorbereitung und den mangelnden Führungsqualitäten Tschechiens wird immer lauter. Vor diesem Hintergrund wäre es einfach untragbar, dass das Land als einziges EU-Mitglied weiterhin den ICC nicht anerkennt. Das wäre geradezu ein Wasserfall auf die Mühlen der Tschechien-Kritiker.